spräche ... “ Heyse, der zeitlebens damit renommierte, keine Zeitungen und schon gar nicht die Kritiken über seine Bücher und Theaterstücke zu lesen, verachtete im Grunde die journalistische Tagesarbeit und begnügte sich — nach einem knapp einjährigen Zwischenspiel als Redakteur des „Literaturblattes“ —, in der Periodika seine Novellen gegen ein stattliches Honorar abdrucken zu lassen. Was Wunder, daß Fontane über die politischen Vorgänge seiner Zeit ausgezeichnet orientiert war, daß er über eine solide Geschichtskenntnis und ein entwickeltes Traditionsbewußtsein verfügte, während sein „lieber Paul“ sich ein ahistorisches Weltbild zurechtzimmerte und die in jedem neuen Buch demonstrierte. Und ebendas war der Punkt, an dem bei Fontane „die Gemütlichkeit aufhörte“, wo er sich zum Widerspruch herausgefordert fühlte. Man hat die Beziehungen Fontanes zu Heyse die Geschichte einer Entfremdung genannt, aber sie sind in Wirklichkeit die Geschichte einer künstlerischästhetischen Polarität von vornherein gewesen. Der vorliegende Band belegt diese Kontroverse in allen Phasen und beweist eindrücklich die Überlegenheit von Fontanes Position.
Fontane hat Heyse nie um den Wohlstand beneidet und dessen glanzvollen Aufstieg zum gefeierten und hochbezahlten Lieblingsautor des deutschen Bildungsbürgertums nie mit Mißgunst betrachtet. Er hat vielmehr zeitlebens seine ehrliche Bewunderung für die vielseitige und ungemein produktive schriftstellerische Begabung Paul Heyses bekundet. „Du bist“, schrieb er am 9. Dezember 1878 in jenem großen Bekenntnisbrief, „der einzige unter den Lebenden, der schon allein durch die Umfassenheit seiner Produktion (und in jedem Sattel ein Armer Reiter) an die großen Leute unsrer Literatur erinnert. Aber ich unterscheide Dein Talent als solches von den Hervorbringungen Deines Talents. Und hierin liegt die Schwierigkeit für mich, wenn ich über Dich schreiben soll, gleichviel, ob in einem privaten Briefe oder in einem öffentlichen Blatt.“
Das „Talent als solches“, die formale Begabung hat Fontane stets — wenn auch oft mit ironischem Unterton — anerkannt. „Er ist in der Tat ein Liebling der Grazien", bemerkte er in einem Brief vom Jahre 1853, „sein ganzes Wesen ist Reiz. Wenn er spricht, ist mir’s immer, als würden reizende Nippsachen von Gold und auch von Bronze, aber alle gleich zierlich gearbeitet, über den Tisch geschüttet. Man sieht hin, das Auge lacht über die bunten Farben und schönen Formen, und ein unwillkürliches ,Ah!‘ entringt sich von der Lippe.“ In diesem Sinne setzte „Gartenlauben“-Chef Keil 1867 über Fontanes Heyse-Aufsatz den Titel „Ein Liebling der Musen“, und Fontanes Rezensionen — über kaum einen anderen Autor hat er so oft und viel geschrieben — heben Esprit und Grazie, die Vorzüge der Komposition und die Kunst der subtilen psychologischen Entwicklung hervor.
Freilich konnte der Realist Fontane die Form nicht vom Inhalt abstrahieren. Als Otto Brahm 1882 in „Westermanns Monatsheften“ einen Essay über Heyse veröffentlicht hatte, monierte Fontane daher sofort, daß Brahm sein „Objekt“ zwar ausgezeichnet präpariert und beschrieben,
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