Heft 
(1976) 24
Seite
599
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erwarte. Dazu die ungemeine Sorgfalt des lieben Alten, allem, was nur von fern einem Gedanken ähnlich sieht, aus dem Wege zu gehen. Zwei Tage später wies er Schott noch energischer zurecht:Wäre ich ... zu öffentlicher Beurteilung verpflichtet, würde ich es nicht über mich gewinnen, gleich Ihnen jede Forderung an Komposition, an reale Cha­rakteristik der Figuren usw. zu suspendieren. Und so könnte ich auch ,Effi Briest' und die ,Poggenpuhls nicht öffentlich besprechen, ohne noch so schonend die Grenzen der Begabung ihres Verfassers aufzu­zeigen. Amicus Theodorus magis amica veritas [Theodor ist mein Freund aber die Wahrheit ist mir wichtiger].

Fontane hat diese Invektiven nicht mehr kennengelernt, aber sie hätten ihn wohl nicht verwundert. Er hatte ja die Grenzen schon am 18. August 1879 in einem Brief an den gemeinsamen Verleger Hertz eindeutig und selbstbewußt abgesteckt:Sie wissen, wie hoch ich ihn [Heyse] stelle; er ist zwar nicht im einzelnen (die .Novellen in Versen' und ähnliches, worin er exzelliert, abgerechnet) der Beste, aber im ganzen ist er der am reichsten Beanlagte unter allen Lebenden. In Deutschland. Nichtsdesto­weniger hab ich den Eindruck: was er leisten konnte, hat er geleistet. Er kann über das, was schon da ist, nicht hinaus. Wohlhabend ist er auch. Also warum nicht Gärtner werden, Erdbeer- und Spargelzüchter! Mir würd es schwer werden; aber so lächerlich es klingen mag, ich darf vielleicht leider von mir sagen: ,ich fange erst an'. Nichts liegt hinter mir, alles vor mir; ein Glück und ein Pech zugleich. Auch ein Pech. Denn es ist nichts Angenehmes, mit 59 als ein .ganz kleiner Doktor' dazustehn. Aber genug der Confessions.

Das Werk desganz kleinen Doktors sollte die literarische Realisation alles dessen werden, was er bei Heyse ein Leben lang vermißt hatte. Seine Geschichten waren aus dem Leben der Zeit gegriffen, und selbst die kolorierenden Details dazu lassen sich in Wirklichkeit nachweisen. Er war der Finder seiner Stoffe, nicht wie Heyse der Erfinder, der sich rühmte, keine einzige Gestalt nach dem Leben gezeichnet zu haben, und der charakteristischerweise seine eigenen Fabeln rasch wieder zu vergessen pflegte.

Nach alledem spielt Fontane in HeysesJugenderinnerungen und Be­kenntnissen nicht zufällig nur eine freundlich-unbedeutende Rolle. Heyse hielt sich an das Vorbild von Fontanes Autobiographie, in der sich der Autor diplomatisch aus der Affäre gezogen und einfach auf Pauls Zelebrität verwiesen hatte, die eine ausführliche Darstellung über­flüssig mache. Was bei Fontane wirklich dahintersteckte, das resümiert ein Brief an den Sohn Friedrich vom 21. Juni 1898:Theo hat mir 2mal geschrieben; sehr nett. Er findet, daß Heyse zu kurz gekommen ist, und Mama und Martha stimmten gleich mit ein. Sie alle (auch Theo) betrach­ten solche Schreiberei wie Sache der Freundschaft, der Courteoisie etc. Das geht aber nicht. Von Courteoisie ist in dem ganzen Buche nicht die Rede; das überlasse ich denen, denen dergleichen Spaß macht. Natürlich hat man auch in bestimmten Fällen Rücksicht zu nehmen, so ich, wie