Bonbonfabrik) oder in der Heithstraße (Nähe Kurfürstendamm) oder gar in einer Villa der Köpenickerstraße (mit Spree-Grundstück), so ist es in Howells’ Boston nicht gleichgültig, ob man in einem „little house on Clover Street“ oder am „oldfashioned“ Bellingham Place wohnt oder sich gar ein Haus in der vornehmen Beacon Street („on the water side“) erbaut. In Criticism and, Fiction fordert Howells vom modernen Roman, er solle danach streben „to verify the externals of life, to portray faith- fully the outside of men and things“. 19 Zu den „externals“, den sozialen und ökonomischen Gegebenheiten, die in den Romanen von Fontane und Howells aufs genaueste registriert werden, gehören die Art, in der man sich kleidet, die Möbel, mit denen man sich umgibt, der Typ der Kutsche, mit der man Bekannten seine Aufwartung macht. Durch Besitz, Lebensweise und Umgangsformen sind die Romancharaktere von vornherein als gesellschaftliche, einer Klasse verhaftete Wesen gekennzeichnet. Das aussagekräftigste Indiz für den klassenspezifischen Standort einer Romanfigur ist, bei Fontane wie bei Howells, deren Sprache im Dialog. Sie dient zwar einerseits der individualisierenden Charakterisierung, ist aber andererseits stets zugleich milieu- und klassenspezifische Rede, in der sich Herkunft, Bildung, Beruf und Besitzverhältnisse spiegeln. Dabei spielt die gemäßigte Verwendung der Alltagssprache, des Dialekts und des berufspezifischen Jargons eine wichtige Rolle. Vor allem als sprechendes Wesen ist der Mensch Angehöriger einer sozialen Gruppe. 20
Die von Fontane bevorzugt dargestellten Gesellschaftsschichten sind bekanntlich der alte märkische Landadel (der im Zuge der Industrialisierung immer mehr an wirtschaftlicher und politischer Macht verliert), der Militäradel sowie das Besitz- und Bildungsbürgertum; das Kleinbürgertum kommt in einigen Romanen als konflikterregendes Element hinzu. In seinen Bostoner und New Yorker Romanen — besonders in A Modern Instance (1882), The Rise of Silas Lapham (1885) und A Hazard of New Fortunes (1890) — schildert Howells eine amerikanische Klassengesellschaft, die sich im Verlauf der Industrialisierung herausgebildet und nach dem Bürgerkrieg konsolidiert hat. Der aus dem egalitären Mittelwesten des antebellum-Amerika stammende Howells entdeckt nach dem Bürgerkrieg in Boston die gesellschaftlichen Spannungen zwischen dem alteingesessenen Bostoner Patriziat, der schnell zu Wohlstand gelangten neureichen Bourgeoisie und der gebildeten, wirtschaftlich ungesicherten Mittelschicht aufstrebender Journalisten, Schriftsteller und Künstler. In den Bostoner Romanen werden Zusammenspiel und Konflikte dieser sozialen Gruppen in ihrer zeitgeschichtlichen Repräsentanz weitgehend mit dem literarischen Instrumentarium des „Romans der guten Gesellschaft“ (Demetz) dargestellt. In A Hazard of New Fortunes wird das Spektrum der sozialen Gruppen und Kräfte zu einer Art „Vielheitsroman“, um mit Fontane zu sprechen, erweitert; im Bild der Großstadt New York erhalten nun auch Slums und Streiks ihren Stellenwert, und den etablierten Mächten wird eine ideelle Gegenkraft entgegengestellt, verkörpert in dem deutsch-amerikanischen Sozialisten und 48er Revolutionär Berthold Lindau — ähnlich wie in Fontanes Stechlin
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