Preußen im Stich gelassen, vermochten sie der dänischen Übermacht nicht länger standzuhalten. Der schleswig-holsteinische Befreiungskampf brach zusammen. Tief betroffen von diesen Ereignissen fuhr Fontane nach Hamburg und wäre, wie er am 28. Juli an seinen Freund Bernhard von Lepel schrieb, anstatt mit der Feder dabeizusein, am liebsten in die Reihen der Kämpfer getreten. 6
Die dem Zusammenbruch des Befreiungskampfes folgenden Friedensverträge vermochten die nationale Frage in Schleswig-Holstein nicht zu lösen. Seit dem Ende der fünfziger Jahre, gedrängt von der Eiderdänischen Partei, unternahm die Regierung Dänemarks vermehrte Anstrengungen, die dänische Landesgrenze bis an die Eider auszudehnen, das Herzogtum Schleswig Dänemark einzuverleiben und die Herzogtümer Holstein und Lauenburg auszuscheiden. Diese Bestrebungen manifestierten sich in einem neuen dänischen Grundgesetz, das von König Friedrich VII. angenommen und nach seinem Tode im November 1863 von seinem Nachfolger, König Christian IX., bestätigt wurde. Die Unzufriedenheit der Mehrheit der deutschen Bevölkerung in Schleswig-Holstein mit der dänischen Politik steigerte sich zu offenen Protesten. Sie erkannte König Christian nicht als rechtmäßigen Erben an und wandte sich gegen jenes Gesetz, das zur Teilung Schleswig-Holsteins führen mußte.
Die dänische Erbfolge war in einem 1852 in London abgeschlossenen Vertrag, der u. a. auch von Preußen und Österreich unterzeichnet wurde, festgelegt worden. Sie sollte, da ein direkter Erbe der dänischen Monarchie fehlte, ihren Fortbestand sichern. Unmittelbar nach dem Tode Friedrich VII. erklärte auch der Prinz von Augustenburg seinen Regierungsantritt in Schleswig-Holstein. Er fühlte sich an die im Zusammenhang mit dem Londoner Vertrag von seinem Vater erteilte Zustimmung zum Erbverzicht nicht gebunden. Weite Kreise des deutschen Bürgertums sahen in dem Prinzen von Augustenburg den Repräsentanten des Kampfes um ein freies und geeintes Schleswig-Holstein. Er fand Unterstützung beim Deutschen Bund, der das Londoner Protokoll nicht mit unterzeichnet hatte. Preußen und Österreich intervenierten gegen den Prinzen von Augustenburg als Landesherren.
In dem vom deutschen Generalstab herausgegebenen Werk „Der Deutsch- Dänische Krieg 1864“ (2 Bde. Berlin 1886) wird Preußens Haltung mit der Bindung an das Londoner Protokoll und die Vorrangigkeit der Verfassungsfrage gegenüber der Erbfolgeregelung motiviert. Diese Deutung findet sich auch in Fontanes „Der Schleswig-Holsteinsche Krieg im Jahre 1864“ und in seiner Schrift „Der Deutsche Krieg von 1866“, wo diese Problematik noch einmal in dem Abschnitt „Wessen ist die Schuld aufgegriffen wird. 7
Tatsächlich war Preußen an der Anerkennung der Erbansprüche des Prinzen von Augustenburg nichts gelegen, weil ein unabhängiger Staat im Norden Preußens Macht eingeschränkt hätte. Der preußische Staat war vielmehr bestrebt, seine Macht nach Norden auszuweiten. Diese Erwägungen bildeten auch die Triebkraft bei der Entscheidung Preußens, den Krieg gegen Dänemark getrennt vom Deutschen Bund zu führen.
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