die Schl. Holst, ein Recht dazu haben.“ (S. S. 372.) Fontanes weltmännische Haltung wehrte sich ebenso gegen kleinbürgerliche Demonstrationen wie sein Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit.
Das spiegeln übrigens auch seine Aufzeichnungen von den böhmischen Kriegsschauplätzen. Er verurteilt darin die Arroganz der Sieger gegenüber dem besiegten Gegner: „Welche Bemerkungen habe ich äußern, welche kurzgefaßten Kritiken — ohne jede Rücksicht auf sächsische Ohren und Herzen — über die Table d’hote hinüber machen hören! und nicht etwa leise, sondern mit der ganzen einschneidenden Deutlichkeit des märkisch-preußischen Accents. Alles wurde angezweifeit: Treue, Glauben, Sitte ... “ 9
Fontanes Bemühen um Fairneß dem Feinde gegenüber ist auch seinem Urteil über die Töchter des Pastors Schleppegrell in Broacker zu entnehmen. Seine Formulierungen verraten eine gewisse Hochachtung vor ihrem engagierten Dänentum. Diese Passage hat Fontane in sein Buch über den Krieg in Schleswig-Holstein übernommen.
Seine Berichte unterscheiden sich von vielen anderen preußischen Kriegsberichten durch eine objektivere Einstellung zu den dänisch gesinnten Bevölkerungskreisen in Schleswig-Holstein. In der Interpretation der preußischen Politik bleibt Fontane in seinem schleswig-holsteinischen Kriegsbuch zwar hinter den politischen Einsichten zurück, die manche andere Äußerungen des Dichters, insbesondere briefliche, zeigen, gleichzeitig entgeht er aber auch dem preußischen Hurra-Patriotismus. In den Reisenotizen vom September 1864 gibt Fontane ein Gespräch zwischen einer Bäuerin und einem Rekruten wieder. Es vermittelt eine ungeschminkte Schilderung der wirklichen Leiden, die der Krieg dem Volk auferlegte (s. S. 382). Ob das Gespräch genau so stattfand ist nicht ausschlaggebend. Die Tatsache, daß Fontane es für wert befand, in einer kommentarlosen Darstellung festgehalten zu werden, weist auf seine Haltung. Hier liegen Ansätze zu seiner in späteren Jahren geübten Gesellschaftskritik.
Die Reisenotizen aus Schleswig-Holstein sind ihrem Charakter nach in vielem den Vorarbeiten für die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ verwandt, bieten aber auch Eigenheiten. Anscheinend mühelos geschriebenen Berichten, in manchen Passagen schon nahezu fertig wirkend, wechseln mit mehr oder minder stichwortartigen Texten. Vielfache Unterstreichungen heben hervor, was dem Autor bedeutsam war. Skizzen ergänzen den Text. Städte und Dörfer werden in ähnlicher Weise wie die märkischen beschrieben, ihre Baulichkeiten und Sehenswürdigkeiten kritischer Betrachtung unterzogen. Neumünsters Backsteinhäuser entbehren nach Fontanes Meinung der Gemütlichkeit, die Kieler historische Architektur erschien ihm „rumplig und unbedeutend“. Die malerische Wirkung von Straßen und Plätzen wird mehrfach lobend erwähnt. Als malerisch empfand Fontane die Belebung des Stadtbildes durch Flüsse und Seen, auf hügligem Gelände erbaute Städte, wie Lübeck, und verwinkelte Straßen und Gassen. Letzteres waren beliebte Motive
361