Heft 
(1979) 29
Seite
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die Schl. Holst, ein Recht dazu haben. (S. S. 372.) Fontanes weltmännische Haltung wehrte sich ebenso gegen kleinbürgerliche Demonstrationen wie sein Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit.

Das spiegeln übrigens auch seine Aufzeichnungen von den böhmischen Kriegsschauplätzen. Er verurteilt darin die Arroganz der Sieger gegen­über dem besiegten Gegner:Welche Bemerkungen habe ich äußern, welche kurzgefaßten Kritiken ohne jede Rücksicht auf sächsische Ohren und Herzen über die Table dhote hinüber machen hören! und nicht etwa leise, sondern mit der ganzen einschneidenden Deutlichkeit des märkisch-preußischen Accents. Alles wurde angezweifeit: Treue, Glauben, Sitte ... 9

Fontanes Bemühen um Fairneß dem Feinde gegenüber ist auch seinem Urteil über die Töchter des Pastors Schleppegrell in Broacker zu ent­nehmen. Seine Formulierungen verraten eine gewisse Hochachtung vor ihrem engagierten Dänentum. Diese Passage hat Fontane in sein Buch über den Krieg in Schleswig-Holstein übernommen.

Seine Berichte unterscheiden sich von vielen anderen preußischen Kriegs­berichten durch eine objektivere Einstellung zu den dänisch gesinnten Bevölkerungskreisen in Schleswig-Holstein. In der Interpretation der preußischen Politik bleibt Fontane in seinem schleswig-holsteinischen Kriegsbuch zwar hinter den politischen Einsichten zurück, die manche andere Äußerungen des Dichters, insbesondere briefliche, zeigen, gleich­zeitig entgeht er aber auch dem preußischen Hurra-Patriotismus. In den Reisenotizen vom September 1864 gibt Fontane ein Gespräch zwischen einer Bäuerin und einem Rekruten wieder. Es vermittelt eine unge­schminkte Schilderung der wirklichen Leiden, die der Krieg dem Volk auferlegte (s. S. 382). Ob das Gespräch genau so stattfand ist nicht aus­schlaggebend. Die Tatsache, daß Fontane es für wert befand, in einer kommentarlosen Darstellung festgehalten zu werden, weist auf seine Haltung. Hier liegen Ansätze zu seiner in späteren Jahren geübten Gesellschaftskritik.

Die Reisenotizen aus Schleswig-Holstein sind ihrem Charakter nach in vielem den Vorarbeiten für dieWanderungen durch die Mark Branden­burg verwandt, bieten aber auch Eigenheiten. Anscheinend mühelos geschriebenen Berichten, in manchen Passagen schon nahezu fertig wirkend, wechseln mit mehr oder minder stichwortartigen Texten. Viel­fache Unterstreichungen heben hervor, was dem Autor bedeutsam war. Skizzen ergänzen den Text. Städte und Dörfer werden in ähnlicher Weise wie die märkischen beschrieben, ihre Baulichkeiten und Sehenswürdig­keiten kritischer Betrachtung unterzogen. Neumünsters Backsteinhäuser entbehren nach Fontanes Meinung der Gemütlichkeit, die Kieler histo­rische Architektur erschien ihmrumplig und unbedeutend. Die male­rische Wirkung von Straßen und Plätzen wird mehrfach lobend erwähnt. Als malerisch empfand Fontane die Belebung des Stadtbildes durch Flüsse und Seen, auf hügligem Gelände erbaute Städte, wie Lübeck, und verwinkelte Straßen und Gassen. Letzteres waren beliebte Motive

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