Heft 
(1979) 29
Seite
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der Malerei im 19. Jahrhundert. Der Städtebau der Zeit gab den breiten, geraden rechtwinklig aufeinanderstoßenden Straßen den Vorzug.

Wiederum wie in den märkischen Notizen geht Fontane auch auf besondere Lebensbedingungen der Bevölkerung ein. Die Haupterwerbsquelle der Propsteier, ihr berühmtes Saatkorn wird hervorgehoben. Historisches wird vermerkt, insbesondere, wenn eine menschlich-poetisch interessante Geschichte damit verbunden ist, wie die vom Bruderzwist zwischen Herzog Abel und König Erich IV. von Dänemark und seiner Ermordung auf der Schlei.

Der Unterschied der schleswig-holsteinischen Aufzeichnungen zu den Wanderungsnotizen oder auch zu den von der Rheinreise gleichfalls aus den sechziger Jahren herrührend ergibt sich vor allem daraus, daß im Mittelpunkt der Beobachtungen in Schleswig-Holstein jüngstes Geschehen zum Zwecke der Kriegsberichterstattung stehen mußte.

Ihre Eigenart tritt besonders deutlich im Vergleich zu den im folgenden Jahr niedergeschriebenen Rheinreisenotizen 10 hervor. Letztere vermitteln die heitere Beschaulichkeit einer Bildungsreise, bei der die Besichtigung von Bau- und Bildkunstwerken im Zentrum des Interesses stand. Die schleswig-holsteinischen das trifft vorzugsweise auf die Mainotizen zu atmen weniger Beschaulichkeit, sie sind in vielen Passagen skizzen­hafter, das Interesse ist sehr breit gefächert, die Informationen dadurch oft sehr kurz aber vielseitig. Die Aufzeichnungen erwecken den Eindruck, als hätte Fontane, mitgerissen von den Zeitereignissen, versucht, so vielfältiges Leben einzufangen wie möglich, wobei ihn auch das Bemühen trieb, in kürzester Frist Material für sein Kriegsbuch zusammenzutragen. Landschaftsbeschreibungen, bunte Straßenszenen, unterschiedliche mensch­liche Begegnungen, Historisches, Kunst- und Kulturgeschichtliches lassen neben der Kriegsberichterstattung im engeren Sinne Schleswig-Holstein im Jahre 1864 lebendig werden. Kontrastreiche Eindrücke und das unmit­telbare Nebeneinander von Geschichte und Gegenwart verleihen dem Bericht eine spezielle Note und auch seinen Reiz.

Die Septemberaufzeichnungen aus Schleswig-Holstein und Dänemark, obschon gleichfalls ein übervolles Reiseprogramm wiedergebend, stehen ihrem Wesen nach einer Bildungsreise näher. Die kriegerischen Ausein­andersetzungen war beendet,Rückfahrt über Düppel; alles schon wie­der im Friedensgewand vermerkt Fontane am 27. September. 11 Die zeit­liche Distanz zu den Kriegshandlungen haben seine Betrachtungsweise sicher mit beeinflußt. Sie bot zugleich die Voraussetzung, das Reisepro­gramm auszuweiten und neben den Kriegsschauplätzen Kopenhagen mit aufzunehmen. Fontane erfüllte sich damit einen seiner Jugendträume. Er besuchte die Sehenswürdigkeiten der Stadt, vor allem die Kunst- und Altertumssammlungen, den in nicht all zu großer Entfernung von Kopen­hagen befindlichen Dom von Roeskilde und auch die Schlösser Rosenborg, Frederiksborg und Schloß Helsingör, Erinnerungsstätte an Prinz Hamlet. Fontane nannte sie neben Edinburg-Castle dieZauberschlösser des Nordens. 12

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