Heft 
(1979) 29
Seite
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Die Schlösser, die Fontane während der Maireise 1864 besichtigte, übten auf ihn nicht dieselbe starke Anziehungskraft aus. Dennoch, mehrere Skizzen beweisen, daß er sich mit dem Gottorfer Schloß eingehender befaßt hat, als aus dem Text ersichtlich wird. Die Skizzen zeigen, daß er am Westflügel des Schlosses den Spuren des Mittelalters folgte. Zur Schaufront des Südflügels vermerkte er treffend, das Bauwerk wirke stattlich aber nüchtern, vor allem nach der Hofseite hin. Auf diese Schau­front bezieht sich wahrscheinlich auch Fontanes Äußerung:ziemlich schlimme Renaissance ohne Roccoco zu sein. (S. S. 369.) Er hegte eine gewisse Vorliebe für die spielerische Grazie, die reich dekorierte Barock­kunstwerke vielfach besitzen. Diese Vorliebe ist zahlreichen Beschreibungen märkischer Barockschlösser in denWanderungen durch die Mark Bran­denburg zu entnehmen. Es sei an die ebenso einfühlsame wie reizvolle Beschreibung des Caputher Schlößchens erinnert. 13

Das Erscheinungsbild des puristisch erneuerten Gottorfer Schlosses mußte für ihn einen unerfreulichen Gegensatz dazu bilden. Daß Fontane den BegriffRenaissance dafür verwendet, entspricht damaligen Gepflogen­heiten. Der barocke Stil wurde noch nicht so exakt bestimmt und die Werke noch häufig als Renaissance bezeichnet oder unter den Begriff Rokoko gebracht. In seinem Kriegsbuch beschränkt Fontane sich darauf, Schloß Gottorf als prächtiges Schloß mit seinen historischen Erinnerungen zu erwähnen. Stilfragen werden nicht berührt. 14 Dem Kieler Schloß hat Fontane wohl nicht allzuviel Zeit geschenkt. Die Ausstellung in der Kieler Kunsthalle war offensichtlich mehr dazu angetan, sein Interesse zu erregen. Moritz von SchwindsKaiser Rudolfs Ritt zum Grabe bot Fontane Anlaß zu kritischen Bemerkungen ähnlicher Art, wie sie auch in seinen Ausstellungskritiken in den sechziger Jahren häufig enthalten sind.

Er beurteilte die Figuren auf ihre Ausdruckskraft hin, sehr scharf, sehr genau, so daß ihm eine gewisse äußerliche Theatralik und Steifheit der Darstellung nicht entging. In den Rheinreisenotizen kommt Fontane noch einmal auf das Bild zurück. Mit der zeitlichen Distanz verlor sein Urteil jedoch an Schärfe. Er bezeichnet das Bild nur noch als interessant.

Die Beschreibung von Bau- und Kunstdenkmalen erfolgte angesichts der noch frischen Spuren des Krieges während der Maireise vielfach wohl auch in großer Eile. Vom Schloß Gravenstein fertigte Fontane Skizzen an (s, S. 377). Im Text wurde das Schloß nicht erwähnt, die Skizzen blieben unbesehriftet. In dem AufsatzAus dem Sundewitt hat er es dann, gestützt auf seine Erinnerungen, charakterisiert. Er bezeichnet es als typisch für die Schlösser des Landes: ... sauber, von Wald und Wasser malerisch eingegrenzt, architektonisch weder schön noch häßlich, dabei vor allem öde, leblos mit einem Zuge, in dem sich Poesie und Langeweile wunderbar miteinander mischen. 15

Auch den Zeichnungen vom Gottorfer Schloß (s. S. 371 u. 373) fehlt die Überschrift. Sonst ordnete Fontane in seinen Notizbüchern die Skizzen meist eindeutig den Texten zu. Die Ungenauigkeit in der Zuordnung und Beschriftung weisen auf außergewöhnlichen Zeitdruck. Dafür spricht auch eine Nachricht, die Fontane seiner Frau am 23. Mai aus Flensburg

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