Heft 
(1979) 29
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zukommen ließ. Er schreibt, der Sonnabend das war der Tag, an dem u. a. die oben genannten Skizzen entstanden wäre strapaziös gewesen. Er fände keine Zeit zum Briefschreiben und rechne am folgenden Tag damit, von früh um 7 Uhr bis abends um 10 Uhr unterwegs zu sein. le

Hinzu kam, daß die von Fontane im Text erwähnten Schlösser damals, bedingt durch den Krieg, im Inneren nicht zugänglich waren. Das Kieler Schloß und Schloß Gottorf wurden als Lazarett genutzt, im Schloß Graven- stein und später in Louisenlund befand sich das Hauptquartier des Prinzen Karl. Fontane mußte sich folglich mit den Außenansichten begnügen. Dem Äußeren der Bauwerke das läßt sich in seiner gesamten Reise­literatur feststellen galt sein Interesse aber nicht gleichermaßen wie den Innenräumen. Seine Beschreibungen der Architektur fallen im Ver­hältnis zur Beschreibung der Innenausstattung immer wieder über­raschend kurz aus, oft verzichtet er gänzlich darauf. Die Erinnerungsstücke im Inneren der Bauwerke gaben dem Poeten mehr Anknüpfungspunkte besonderen menschlichen Geschichten nachzugehen als die in ihrer histo­rischen Aussage allgemeinere Architektur. Das erklärt Fontanes Vorgehen. Es läßt sich auch bei den Aufzeichnungen vom Schleswiger Dom verfolgen. Es fehlen alle Angaben zur Architektur. Fontane konzentrierte sich auf den Bordesholmer Altar, Grabdenkmäler und die Erinnerungsstücke an die romantisch-abenteuerliche Geschichte von der Ermordung König Erichs IV. von Dänemark. Die Notizen vom Schleswiger Dom zeigen zugleich ein weiteres für viele Denkmalbeschreibungen Fontanes zutref­fendes Merkmal. Er erstrebte keine Vollständigkeit bei der Schilderung der Innenräume, und die Auswahl der von ihm hervorgehobenen Gegen­stände richtete sich nicht unbedingt nach ihrem kunsthistorischen Wert. Bei den rheinischen und italienischen Notizen waren die kunstgeschicht­lichen Gesichtspunkte vorherrschend. Damit nehmen diese Berichte jedoch eine Sonderstellung inerhalb der Fontaneschen Reiseliteratur ein. In der Regel fügte er auch die Beschreibung hoch berühmter Kirchen, Burgen und Schlösser in einen gewissen Erzählzusammenhang ein, der die Aus­wahl der in den Innenräumen erwähnten oder beschriebenen Gegenstände bestimmte oder doch zumindest stark beeinflußte. Das gilt für seine Reisenotizen wie für die darauf fußenden publizierten Texte. Aus diesem Herangehen ergab sich auch, daß Fontane in Schleswig der Beschreibung des Esselbachschen Hotels mehr Zeilen widmete als dem berühmten Dom, obwohl letzterer ihn als Kunstwerk ungleich tiefer beeindruckte. In dem bereits genannten Brief vom 23. Mai 1864 hebt er sein Interesse für den Dom hervor. Er ist das einzige in diesem Brief erwähnte Baudenkmal.

Aber das Esselbachsche Hotel bot dem Dichter einen eventuell verwend­baren Hintergrund für eine Kriegsgeschichte, denn hier trafen sich 1864 Offiziere von Rang und Namen, die geschäftstüchtige Besitzerin, Doris Esselbach, sorgte für prominente Gäste an der Table dhöte.

Fontane hat einen Teil seiner Maireisenotizen publizistisch nicht verwertet. Die Schilderung der ersten beiden Reisetage vom 19. und 20. Mai mit dem Aufenthalt in Hamburg, der Fahrt über Neumünster nach Kiel und der Besichtigung der Stadt mit ihrer Umgebung fanden weder in seine Reise-

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