Schriftstellerin in ihrem, dem neunzehnten Jahrhundert auch gelesen wurden, nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg sind nur noch wenige ihrer Werke wieder aufgelegt worden 1 . Vermutlich wird mit dem bleibenden Interesse der Leser eher die Reise- als die Romanschriftstellerin Lewald rechnen dürfen. Es ging und geht ihr ähnlich wie Spielhagen. Das zentrale Thema ihrer Romane, die soziale und politische Emanzipation der bürgerlichen Klasse, war und ist nicht mehr das Thema des Tages, und die Ideen, für die sie gefochten hatte, waren seit dem späten neunzehnten Jahrhundert nicht mehr die herrschenden Ideen der Zeit. Denn die gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Voraussetzungen ihres Schaffens gebildet hatten, waren nicht mehr gegeben. Seitdem die Arbeiterklasse und die Arbeiterbewegung die Politik entscheidend bestimmten, hatten sich tiefgreifende Wandlungen vollzogen. So entglitt der größere Teil ihres Werkes der Aufmerksamkeit der Nachwelt, und das umso mehr, als das künstlerische Niveau ihrer literarischen Arbeiten nicht ausreichte, um wenigstens einigen von ihnen bleibende Bedeutung zu sichern.
Aber wenn auch die künstlerischen Leistungen der Lewald eine intensivere Beschäftigung mit ihren Werken nicht rechtfertigen, so verdient doch die weltanschauliche Haltung dieser progressiven Schriftstellerin Beachtung, da ihre Auffassungen in die Zukunft weisen und Fanny Lewald manche ihrer Zeitgenossen in den Schatten stellte.
Das zeigt sich besonders eindrucksvoll in dem nachfolgenden Brief, den die Lewald Anfang 1849, also in der Zeit des engeren Kontaktes zwischen ihr und Lepel sowie Fontane, an Bernhard von Lepel richtete 2 . Dieser Brief stellt ein beachtliches Bekenntnis zu realistischen Auffassungen von der Welt und vom Leben und zur Humanität dar. Es ist etwas von dem Geist Spinozas und Ludwig Feuerbachs, aber auch ihres großen Vorbildes Goethe darin lebendig. Was indes Fanny Lewald hier als ihr Credo niederschrieb, wird sie auch im Gespräch mit Fontane geäußert haben.
Fanny Lewald erkennt zwar nicht, aber sie ahnt, daß große künstlerische Leistung sowie der sich dem Atheismus nähernde weltanschauliche Naturalismus (oder auch Pantheismus) einerseits und die „politische Freiheit' 1 andrerseits etwas miteinander zu tun haben. Zwar ist sich Fanny Lewald keineswegs darüber im klaren, was dabei als Ursache und was als Wirkung fungiert. Sie sieht nur, daß politische Freiheit und echte Kunst mit Fideismus unverträglich sind. Darum spricht sie sich zugunsten der Kunst und gegen den Fideismus aus. Insbesondere im Jahre 1849, nach dem Scheitern der Revolution, war das für eine bürgerliche deutsche Schriftstellerin eine respektable Position, da sie von Mut und unerschütterter Hoffnung zeugte.
Kaum wird Bernhard von Lepel die Lewald verstanden haben. Der an Platen geschulte Lyriker Lepel — der 1882 als preußischer Major und Chef der Provinzial-Invaliden-Kompanie in Prenzlau starb und als Dichter fast vergessen ist — stand, wie seine Briefe bekunden 3 , der Revolution reserviert gegenüber. Während Fanny Lewald die Revolution begrüßte (sie hielt sich im März 1848 in Paris auf, trat dem Kreis der deutschen
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