Heft 
(1979) 29
Seite
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Habe ich je etwas als Dichter geleistet, und ich glaube, daß ich dies getan

und mein Prinz Louis 10 , der jetzt gedruckt wird, verdient, irre ich nicht, den Namen einer Dichtung so gut als meine frühren Arbeiten, so sind diese Dichtungen grade auf dem Boden derfertigen Abgeschlossenheit, derpositivsten Realität entsprungen, die Anfang und Ende nicht außerhalb des Diesseits legt. Es mag Naturen geben, die, um sich zu begeistern, eines Hinblicks über die Realität hinaus bedürfen, diese aber müssen dann auch glauben, daß dort ein Jenseits sei ich kann das nicht; sowenig ich an einen außer der Natur existierenden persönlichen Gott glaube.

Sie haben von jeher gewußt, daß ich Pantheist bin daß ich ganz und gar jener Schule angehöre, die den Gott in den Menschen setzt wie in die Pflanze und das Tier; daß ich die menschliche Natur nicht in Körper und Seele zerlege und an keine persönliche Fortdauer nach dem Tode, an keine göttliche Belohnung oder Bestrafung für unsre Taten glaube, sondern daß dies alles mir grob sinnliche, undenkbare Vorstellungen sind. Ich halte Christus so wenig für Gottes Sohn als Napoleon oder Luther oder Newton und Feuerbach das alles mußten Sie wissen! Wie konnte Ihnen da der Gedanke kommen, mir Offenbarungen aus dem Dante beibringen zu wollen, da, wie Sie ja tausendmal gesehen haben, mir die bloße Darstellung des Dante in Bildern unerträglich und widerwärtig ist? Mein Bewußtsein kann ich nicht zurückschrauben, und mein ästhetisches Emp­finden sträubt sich gegen diese mittelaltrigen, unschönen Begriffe.

Ich bin heue nicht um ein Haar anders, als ich es war. Sie haben mich in den Zeiten des tiefsten Leides kennenlernen an dem frischen Grabe von Vater 11 und Bruder an dem gähnenden Abgrund einer finanziell zer­störten Lage mit einer Liebe im Herzen, die mir das furchtbarste Leid, die schwerste Resignation auferlegte 12 . Haben Sie mich fassungslos, ver­zweifelt, haltlos gefunden? Ich habe geweint, wenn die Gewalt des Schmerzes zu groß war, aber ich bin nicht unterlegen ich habe in diesem Leid immer den frischesten Arbeitsmut, die vollste Lebens­energie gehabt, wie Sie aus meinen im Winter 46/47 entstandenen Arbeiten gesehen haben; ich war imstande, den Meinen Trost und Stütze zu sein.

Eine Weltanschauung der Realität, welche diese Stärke gibt im Leid die hat auch befruchtende Kraft in poetischer Hinsicht und sicherlich ebenso festen Grund als das Christentum, die Religion der Jenseitigkeit.

Gestehen Sie sich ehrlich ein, wie diese Christentum-Ideen nicht aus Ihrem Bedürfnis erwachsen, sondern Ihnen von den Verwandten Ihrer Frau angewöhnt worden sind. Was hat der Schüler des antiken, heidnisch gesunden Platen mit dem Christentum zu tun, das den Menschen aus seiner Heimat, in der all seine Begriffe wurzeln, aus dem Diesseits in das Jenseits verbannt, für das ihm die Begriffe fehlen? Was hat der Schüler Platens zu tun mit dem Christentum, welches in allen seinen biblischen Teilen nur den einen politischen Grundsatz enthält:ein jeder Mann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat! also auch der schlechten, weil sie Gewalt hat. Das ist der Knechtesfluch, der die Men-

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