er dem Verleger, er sei willens, einen weiteren Kriegsbericht zu schreiben und fügt hinzu: „ein drittes, hoffentlich letztes Kriegsbuch“/' So werden zwei Bände unter dem Titel Der Krieg gegen Frankreich in den Jahren 1873 und 1875 veröffentlicht. 5
Dieses umfangreiche, auf Verlangen geschriebene Werk (fast tausend Quartseiten) war bisher nur den Spezialisten bekannt; eine Neuausgabe ist angekündigt. Dagegen sind zwei andere aus dem siebziger Krieg hervorgegangene Werke Fontanes mehrmals neuaufgelegt worden: Kriegsgefangen und Aus den Tagen der Okkupation; eine der jüngsten Neuausgaben (mit Einleitung, Anmerkung und Illustrationen), unter neuem Titel in Berlin erschienen, sei hier lobend erwähnt. 5 Man weiß, daß bereits nach den ersten Schritten auf französischem Boden die Wanderungen Fontanes eine zwar unerwartete, aber keineswegs außergewöhnliche Wendung genommen haben. Als die Franktireurs ihn in Domremy gefangen nehmen, erleidet er dasselbe Schicksal wie andere Kriegsberichter, die sich zu weit ins Niemandsland vorgewagt hatten, zum Beispiel Leopold Kayßler, einer der bekanntesten Berliner Journalisten jener Zeit, der für die Spenersche Zeitung, das Leibblatt Wilhelms I., schrieb.
II.
Der französische Nationalcharakter.
Als Fontane Ende September 1870 mit dem Nachtrab des preußischen Heeres im Lande seiner Vorfahren eintrifft, betritt er einen Boden, der ihm bislang nur aus der Geschichte bekannt war, wenn man von einer kurzen, schon weit zurückliegenden Reise in die Hauptstadt absieht.
Doch sei daran erinnert, daß er bereits anläßlich jener Woche in Paris (vom 14. zum 22. Oktober 1856) in seinen Briefen Gedanken zum Ausdruck gebracht hat, in denen man gewisse Umrisse der Darstellung des französischen Volkes wahrnimmt, die er 1870—71 entwerfen sollte. Jedoch: für Fontane, der gegen 1880 als Romandichter des zur Reichshauptstadt gewordenen Berlin in die Literaturgeschichte eintreten wird, ist das entscheidende Element der Städtevergleichung mit Berlin nicht etwa Paris, sondern London. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zählte London bereits zwei Millionen Einwohner, Paris dagegen eine Million und Berlin eine halbe Million. Aber kurz nach dem deutsch-französischen Kriege gab es drei Millionen Londoner, knapp zwei Millionen Pariser und fast oine Million Berliner. Fontane, der ungefähr vier Jahre seines Lebens in London verbracht hatte (1852, und 1855 bisl858), betrachtet natürlich die britische Hauptstadt als das Musterbeispiel großdimensionaler Verstädterung.
So ist es verständlich, daß er 1356 erklärt, London sei großartiger als Paris, wo er hinter der glänzenden Fassade verdächtige, abstoßend häßliche, ja sogar furchterregende Aspekte des Großstadtlebens zu entdecken vermeint. Aus Paris schreibt er seiner Frau: „Überall, das sei wiederholt hervorgehoben, bemerk ich etwas Diebeshöhlenhaftes“. 7 Dagegen stellt er fast gleichzeitig in einem Brief an seinem Vater fest, daß
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