Einverleibung Elsaß-Lothringens in Preußen, sondern darüber hinaus die Abtretung von Nizza und Savoyen an Italien und von Nordwestfrankreich an Belgien.- 0 Denn „der übermütige Friedensstörer“ müsse gedemütig't werden.
So erscheint Frankreich ziemlich paradox gleichzeitig als ein wegen seiner Eroberungslust gefährlicher Nachbar und als ein übles Beispiel sittlicher Zersetzung.
Ein anderer offizieller Publizist Preußens, Gustav Freytag (einst in den Handbüchern der deutschen Literaturgeschichte mit Fontane auf eine Stufe gestellt!), soll in diesem Zusammenhang gleichfalls genannt werden. 2 ' 1 In seinen Erinnerungen aus meinem Leben steht über den deutschen Sieg 1871 zu lesen: „Nie erschien das Walten göttlicher Vorsehung in Zuteilung von Lohn und Strafen so menschlich gerecht und verständlich als diesmal“.
Vergleicht man die maßvollen Beurteilungen Fontanes mit den Frankreich in Grund und Boden verdammenden Richtersprüchen Treitschkes und Freytags, so stellt sich zweierlei heraus: Einerseits bemüht sich Fontane darum, dem Gegner Gerechtigkeit angedeihen zu lassen, was damals durchaus nicht die Regel war; er entwirft ein lebendiges und verständnisvolles Bild des französischen Volkes im Krisenzustand. Nebenbei bemerkt, der im Deutschland der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts so gängige Ausdruck „Erbfeind“, der bei allen offiziellen und offiziösen Publizisten gegenüber Frankreich angewendet wird, ist bei Fontane mit ironischen Gänsefüßchen versehen. 25 Andererseits jedoch finden sich auch bei Fontane gewisse Klischees, wenn auch in abgemilderter Form. Es ist hier darauf hingewiesen worden, daß er im Ausgang des Krieges eine Art Schicksalsschluß sah. Indessen, während Treitschke die Franzosen als eine von unheilbarer Zersetzung betroffene Nation darstellt, während Frey tag die Niederlage allen Ernstes als eine Strafe Gottes ansieht, so bemüht sich Fontane darum, Erklärungen für einen Zusammenbruch zu finden, den er keineswegs als dauerhaft oder gar endgültig betrachtet. So schreibt er: „Dieses schöne, bevorzugte, verfallende Land, wenn es wieder empor will aus diesem Verfall, bedarf es... der selbstsuchtlosen Hingabe an eine große Idee“. 26 Das im Wahlspruch „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ausgedrückte Ideal dagegen sei eine „Lügentrinität“ und habe keinen Sinn mehr, denn nach Fontanes Meinung bedeute es einen Bruch mit der Tradition; und das Heil könne seiner Ansicht nach nur vom „Heilig- Überlieferten“ kommen, vom Geiste des Lichts, und nicht vom „Geiste der Finsternis“. 27 Was ist damit ausgesagt?
Fontane ist davon überzeugt, daß die französische Nation nur dann ihre Niederlage überleben kann, wenn sie aus ihrem Denken die Revolutionsidee ausmerzt. Gegenüber dem Zusammenbruch Frankreichs reagiert also Fontane in ausgeprochen konservativer Denkweise. Aber es soll hier versucht werden zu zeigen, daß dieser Konservatismus mit dem Nationalismus eines Treitschke oder eines Freytag wenig zu tun hat, sondern eher einer gewissen französischen Geistesrichtung nahesteht.