gerassel Fontane einst besungen hat“. 27 Auf diese Weise verkörperte sich Fontanes allmähliche Abwendung von der entarteten bürgerlichadeligen Welt, welcher Abwendung er viel deutlicher als in den Werken in seinen Briefen Ausdruck verlieh.
Der sein Leben lang mit dem Schicksal der Arbeiterklasse verbundene Willi Bredel arbeitete als fast 60jähriger mehr als vier Jahre (etwa 1953 bis 1961) an der Filmerzählung „Bettina“, die überraschenderweise im Milieu der untergehenden Klasse der Aristokratie und Großgrundbesitzer in den Jahren 1943—1957 in Deutschland spielt. 28 Die Hauptgestalt dieses Werkes — Bettina Laurens — ist die 13jährige Tochter einer Adelsfamilie, die auf Grund ihrer Erlebnisse im Kriege und in der Nachkriegszeit eine Wandlung durchmacht, infolge derer sie an die Seite der fortschrittlichen und um Frieden kämpfenden Menschen tritt. Diese Filmerzählung, die eine dem Autor fremde Klasse betrifft, ist eines der umfangreichsten und interessantesten der letzten Werke Bredels, dabei zweifelsohne sein bester Versuch auf dem Gebiet der Dramatik. Der Verfasser schrieb selber dazu folgende Erläuterung: „Stehen auch scheinbar im Vordergrund der Handlung als deutsche Hauptpersonen Gutsbesitzer und Industrielle mit ihrem Familienanhang, so wird doch im Laufe der Ereignisse klar, daß es sich hierbei — selbst jene, die die Zeichen der Zeit einigermaßen verstehen — um Vertreter absterbender Klassen und Kasten handelt.“ 29 Eine andere Variante der Darstellung „absterbender Klassen“ sollte der von Bredel beabsichtigte Roman „Die Slomans“ werden, in dem er die Geschichte einer Hamburger Reederei künstlerisch gestalten wollte.' 10 „Die Entwicklung der Hamburger Reederei Slipper hatte ihn besonders interessiert, und er hatte alles ihm erreichbare Material über die einzelnen Generationen der Reedereifamilie seit 1876 zusammengetragen. Als er am Befreiungskrieg in Spanien teilnahm, wurde er aufs neue auf diese Reederei aufmerksam, denn ihre Schiffe transportierten Munition und Soldaten im Aufträge der deutschen Faschisten nach Spanien. Die Reederei verdiente darüber hinaus auch am Rücktransport der in Spanien gefallenen deutschen Soldaten nach Deutschland. Hatte der Plan, den geschäftlichen Aufstieg dieser Firma und den Verfall des Geschlechtes der Slippers zu gestalten, Bredel bereits vorher beschäftigt, so erwachte sein Interesse jetzt, da er sich so unvermittelt mit den Praktiken dieser Firma konfrontiert sah, erneut. Er beabsichtigte, ,die Idealkonkurrenz 1 [alle Ausführungen hinsichtlich des Romanpröjektes „Die Slomans“ fußen auf persönlichen Mitteilungen Willi Bredels am 25. Juni 1964] zu Thomas Manns .Buddenbrooks* zu schreiben. ... Das Moment der ,Kunkurrenz‘ sah Bredel in der Erweiterung der Stoffgrundlage über das Bürgertum hinaus. Er beabsichtigte, mit der Darstellung des Aufstiegs und des Verfalls der Familie der Slippers gleichzeitig die Arbeiterklasse, ihren politischen und ökonomischen Kampf zu erfassen, die beiden unterschiedlichen Stoffbereiche und gesellschaftlichen Sphären miteinander zu verzahnen und zu verklammern.“ 31
Und noch eins ist beiden Schriftstellern gemeinsam gewesen: die große Liebe zu ihrem Heimatland, zur Wasserkante, zu Hamburg, wie auch zu
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