Heft 
(1979) 30
Seite
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Gneisenaus zum Novemberaufstand in Polen aufs schärfste verurteilte: Die Polen kämpften, angespornt von der durch die französische Juli- Revolution 1830 in Europa entfachten Freiheitsbewegung, um ihre natio­nale Unabhängigkeit. Der Feldmarschall Gneisenau stand bereit, mit der preußischen Armee über sie herzufallen, wenn es der zaristischen Armee nicht gelingen sollte, diese nationalen Freiheitskämpfer niederzukartät­schen. Auf diesem unrühmlichen Posten starb er an der Cholera. 48 Während des Vormärz kam Fontanes Interesse für Polens Freiheits­kämpfe in der Form von Gedichten zum Ausdruck, die man mit den in den dreißiger Jahren sehr populären sogenannten Polenliedern vergleichen kann. Es seien hier beispielsweise die GedichteAn der Elster, das dem Heldentod des Oberbefehlshabers der polnischen Armee Jözef Poniatowski (1813) gewidmet war und das D. Sommer alseinen der bedeutendsten Belege für Fontanes Polenbegeisterung bezeichnet, sowieZum Kampf!, in welchem Fontane die Deutschen zum Kampf für Polens Freiheit auf­ruft, genannt. 49

Ein dem Freiheitsstreben des polnischen Volkes gewidmetes Gedicht tritt in Gestalt eines Liedes in Bredels ErzählungDer Opfergang auf. In der letzten Strophe des vom polnischen Helden dieser Erzählung gesungenen Liedes klingt eine große Sehnsucht nach Freiheit, die zu jener Zeit der Naziokkupation in Polen allenfalls die Vögel artikulieren durften. 50 Es sei hier ferner darauf hingewiesen, daß sich beide Autoren in ihren Werken positiver Gestalten polnischer Nationalität bedienen, um schwer­wiegende Gedanken zu wichtigen Problemen, u. a. über das Verhältnis der Deutschen zu ihren Nachbarn, ausdrücken zu lassen. Dazu meint D. Sommer:Es ist aufschlußreich, daß Fontane dies Grundverhältnis zwischen der autonomen, integren Individualität und der Gesellschaft in seinem ersten großen Roman, in ,Vor dem Sturm, an Figuren polnischer Herkunft und Nationalität erprobt und demonstriert. [...] Es ist ent­scheidend, daß die prononciertesten Urteile vom Grafen Bninski gefällt werden, also von jener polnischen Figur, die nicht als gebrochen erscheint. Er wird zum wichtigsten Vermittler preußisch-deutscher Selbstverstän­digung und Selbstkritik in diesem Roman. 31

Sehr ähnlich verfährt Bredel in der ErzählungDer Opfergang, in der er den Haupthelden, einen Polen, seine eigenen Gedanken über die deutschen Verbrechen und Kriegsverbrechen an den unschuldigen Völkern aussprechen läßt. Während eines nächtlichen Luftangriffs auf Hamburg, den der Pole Kasimir Koralski und Inge Lee, seine Geliebte, von weitem beobachten, versucht er ihr die Schuld der Deutschen am Krieg klarzu­machen:Als der Krieg in meinem Heimatland war, brannten dort die Städte. Tag für Tag, Nacht für Nacht wurden auf Warschau Bomben heruntergeworfen. Unsere Dörfer wurden niedergebrannt. Unsere Frauen und Kinder fanden zu Zehntausenden den Flammen- und Granatentod. Nun, sag einmal, Inge, haben damals es war zu Beginn dieses Krieges die Menschen hierzulande um diese Unglücklichen auch gezittert? Hast du damals ja, auch du mit diesen armen, armen Menschen Mitgefühl oder Mitleid empfunden? Hast du damals, als noch die deutschen Flieger

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