die Luft beherrschten, diese Kriegführung auch schon bestialisch und gemein empfunden? [...] Ich ,rassisch minderwertiger 1 Mensch habe gelernt, die schlechten Menschen von den guten zu unterscheiden, mögen sie nun Deutsche oder Polen, Chinesen oder Neger sein. Und Mitleid und Barmherzigkeit hab ich ,rückständiger“ Mensch mir von niemandem verbieten lassen.“ 52
Und noch in einer Hinsicht findet man bei beiden Schriftstellern eine erstaunliche Übereinstimmung: in der Beurteilung der deutschen Überheblichkeit und Voreingenommenheit im Verhältnis zu anderen Völkern In einem Brief an M. Lazarus drückte das Fontane folgendermaßen aus: „Ich ärgre mich schwer darüber in meiner Eigenschaft als geeichter preußisch-deutscher Patriot. Ewig nehmen wir das Maul voll, ewig bilden wir uns ein, daß alles bei uns am besten sei, und In Wahrheit ist alles am schlechtesten.“ 53 Bredel läßt eine der Hauptgestalten — eine Schwedin — in seinem letzten großen Roman „Ein neues Kapitel“ folgendes dazu feststellen: „Diese Deutschen konnten auch nicht lassen, anderen Menschen und Völkern gegenüber unentwegt den Schulmeister, den Besserwisser zu spielen. Der Dümmste und Amoralischste unter ihnen hielt sich immer noch für ungleich nobler, klüger und moralischer als jedweden x-beliebigen Nichtdeutschen.“ 54 Und in einer 1948 veröffentlichten Reportage über Polen schrieb er: „Wir Deutschen waren auf der Schulbank des Lebens keine üblen Mathematiker, Philosophen, Naturwissenschaftler, Dichter oder Musiker, aber in Geschichte und Geographie sind wir stets sitzengeblieben. Außerhalb unserer Landesgrenzen bestand die Weltkarte für allzu viele von uns aus weißen Flecken, wie sollten wir da von der Geschichte anderer Völker lernen können. So erging es uns in jüngster Zeit mit der Sowjetunion, und so ergeht es uns heute wieder mit unserem östlichen Nachbarn, besonders mit dem neuen Polen. Alteingewurzelte Vorstellungen über diese Völker, die größtenteils noch aus den Schullese- büchem des vorigen Jahrhunderts stammen, haften uns an und — genügen uns. Ob diese Vorstellungen noch mit der Wirklichkeit übereinstimmen, berührt die meisten von uns nicht. Immer wieder hört man kategorisierende Standardurteile: die Franzosen sind so, die Polen so, die Tschechen und Bulgaren so und so. Geleugnet wird (zu unserem eigenen großen Schaden), daß Völker und Nationen sich in einem ständigen Wandlungsprozeß befinden. Mir scheint, wir mißtrauen der Wandlungsfähigkeit der anderen deshalb so sehr, weil wir selber im Laufe unserer Geschichte uns nur widerstrebend und schneckenlangsam verändert haben.“ 53
In Fontanes Werk findet man zahlreiche Belege dafür, daß er die Rolle der lutherischen Landeskirchen, besonders in bezug auf Preußen, als negativ erkannt und mißbilligt hat. Seine Briefe enthalten auch die Bekenntnisse eines aufgeklärten und toleranten Atheisten, der „persönlich ganz unchristlich“ sei. An G. Friedlaender schrieb er: „Ich wüßte nichts zu nennen, was so in der Decadence steckte wie das Luthertum.“ Und weiter: „Von meinem geliebten Adel falle ich mehr und ganz ab, traurige Figuren, beleidigend unangenehme Selbstsüchtler von einer mir ganz unverständlichen Borniertheit, an Schiechtheit nur noch von den schweif -
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