Heft 
(1979) 30
Seite
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Es sei hier auch noch darauf hingewiesen, daß beide Schriftsteller eigene Gedichte sowie die anderer Autoren als sozusagen Zwischenrufe in ihren Prosawerken verwendet haben. Oft sind es Lieder gewesen, die eine entsprechende Stimmung hervorrufen oder die die Intentionen des Schriftstellers akzentuieren sollten. Zum Beispiel in Fontanes Roman Unterm Birnbaum finden wir folgende, das Milieu charakterisierende Lieder und Gedichte: den Spottvers des Kantorssohns auf verschiedene DorfbewohnerWoytasch hat den Schulzenstock..., das Polenlied von J. MosenZu Warschau schwuren tausend auf den Knien..., das den Gastwirt Hradscheck anklagende LiedMorgenrot..." sowie das so­genannte LeierkastenliedHerr Schmidt, was kriegt denn Julchen mit?. 11' Auch in Bredels Prosa kann man zahlreiche Beispiele solcher Verwendung von Lyrik beobachten, wobei bei diesem ausgesprochenen Prosaiker seine eigenen Gedichte zweifellos eine eigenartige Erscheinung sind (wie es auch schließlich seine schon früher erwähnten Dramen waren). Die meisten dieser ArtZwischenrufe (einige zehn) findet man in seinem Roman Ein neues Kapitel vor, einige im RomanDie Söhne, einzelne auch in Erzählungen wieDer Sonderführer oder in der schon erwähnten ErzählungDer Opfergang. Weniger bekannt sind Bredels in unver­öffentlichten Werken enthaltene Lieder. Im sechsten Auftritt des Dramas Christina befindet sich ein von der Jugend des okkupierten Norwegens gesungenesnorwegisches Volkslied, das die Hoffnung auf Freiheit in dem unterdrückten Volk erwecken soll (hier die 3. Strophe):

Treibt finsteres Gewölk auch oben, es leuchtet doch ein Stern.

Ihr Freunde, laßt das Licht uns loben, der Morgen ist nicht fern.

In der ErzählungKinder des Hamburger Hafens wird die Atmosphäre einer Hafentaverne in folgendem Seemannslied vom Autor wiedergegeben, das die jungen Helden gern singen (hier die 2. Strophe):

Jungens, und treffen wir uns in Madagaskar, und sehn wir uns in Rio, und trennen wir uns in Alaska, ja, dann heißt es doch das nächste Mal: wo?

In der Schenke am Hafen singt und spielt es

und klirren die Gläser der Gesellen. 66

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Die biographischen Ähnlichkeiten zwischen Fontane und Bredel sind zwar interessant, aber als rein zufällig nicht von größerer Bedeutung für die Parallelen auf dem Gebiet ihrer literarischen Tätigkeit. Auch sollen durchaus nicht alle literarischen Ähnlichkeiten den Beweis für einen un­mittelbaren Einfluß Fontanes auf Bredels Schaffen darstellen.

Die in diesem Beitrag angeführten literarischen Fontane-Parallelen bei Bredel beruhen hauptsächlich darauf, daß er einerseits eine sich sowohl in lebensnahen Szenen als auch in typischen Gestalten demonstrierende

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