Heft 
(1979) 30
Seite
488
Einzelbild herunterladen

Tradition des deutschen kritischen Realismus fortsetzt, wobei der Familien­roman einen beachtenswerten Platz einnimmt. Andererseits ist aber auch darauf hinzuweisen, daß Bredel etliche von Fontane berührte Probleme auf greift und auf ähnliche Weise zu ihnen Stellung nimmt. Dazu gehören z. B. das Verhältnis zu Krieg und Militarismus, das Problem des deutschen Chauvinismus und des Internationalismus, das Verhältnis zu Polen, die Einschätzung der Rolle der Kirche in der deutschen Geschichte, der Untergang von dekadenten Klassen und der Aufstieg der Arbeiterklasse. Fontanes Darstellungsweise der einfachen Menschen aus demvierten Stand entwickelt jedoch Bredel, zeitgemäß und auch entsprechend seinen ideologischen Horizonten, zur mit feinem Verständnis gezeichneten Schil­derung der Entwicklung der deutschen Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert anhand der Schicksale von Arbeiterfamilien und -gestalten.

Willi Bredels literarisches Schaffen stellt die Kontinuierung der Th.-Fon­tane-Th.-Mann-Linie in der sozialistischen deutschen Literatur dar. 117 In diesem Sinne sind die am Anfang dieses Beitrages zitierten Meinungen durchaus zutreffend, daß Bredel an das Beste in der deutschen realistischen Erzählertradition anknüpft, was u. a. in der Anwendung der griffig realistischen Erzählhandlungen, in der Fülle der charakteristischen Gestal­ten, in der durchhaltenden Kraft des Erzählens, in der spröden, oft humorvollen Darstellungsweise, in den aus großer Heimatliebe hervor­gehenden schönen und lebendigen Schilderungen zum Ausdruck kommt. Bewußt oder unbewußt, gewollt oder ungewollt steht Willi Bredel im Banne des großen realistischen Erzählers Theodor Fontane.

Anmerkungen

1 Willi Bredel hat in etlichen literarischen Werken und publizistischen Dokumen­ten auf diejenigen Schriftsteller hingewiesen, denen er besonders verpflichtet ist und deren Werke er bewundert hat (vgl. unter vielen anderen: Gespräch mit Willi Bredel,Sinn und Form, Heft 2, 1976, S. 411 fl.), aber soweit es fest­gestellt werden konnte niemals hat er dabei den Namen von Theodor Fontane genannt. Elisabeth Knust behauptet in ihren Erwägungen über W. Bredels Prosa folgendes:Er selbst sprach einmal davon, er sei im Gegensatz zu anderen in seiner Erzählweise stets ,Fontane-treu 4 geblieben. (E. Knust: Die Entwicklung eines proletarischen Schriftstellers Willi Bredel. Wissenschaftl. Arbeit für die Gymnasiallehrerprüfung, Hannover 1975, Maschinenschrift, S. 117; im Willi- Bredel-Archiv, Berlin). Sie gibt jedoch keinen bibliographischen Nachweis für ihre Behauptung. Wahrscheinlich schreibt sie Bredel die Worte von Hugo Huppert zu (Siehe Anmerkung Nr. 7 dieses Beitrags). Auch Karl-Heinz Höfer behauptet in seiner Bredel-Biographie (Willi Bredel, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1976, S. 47), daß sich Bredel in den Jahren 19341936 in Moskau in Literaturdiskussionen zu einer Gestaltungsweise bekannt haben soll, die sich den Erzähltraditionen u. a. Theodor Fontanes verpflichtet fühlt; er gibt jedoch keine bibliographischen Belege dazu.

2 Bredel, Willi: Ein Brief des Autors an seinen Verleger. Berlin, Mai 1950 (W. Bre­del: Die Vitalienbrüder. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1976, S. 210; vgl. dazu Anmerkung Nr. 35 dieses Beitrags). Hier muß bemerkt werden, daß der Autor dieses Artikels keine Einsicht in die unveröffentlichte Korrespondenz W. Bredels erhalten hat.

3 Gemeint werden hier folgende Beiträge: R. Wohlgemuth: Fontane, der Seher des Untergangs (H. l, S. 63); E. Schroeder: Der letzte Briefschreiber (H. 9, S. 587); E. Welk: Theodor Fontane der Theaterkritiker (H. 9, S. 591); Erich Sielaff: Theodor Fontane als Gesellschaftskritiker (H. 12, S. 791795) dieser letzte Beitrag wird in derLiteratur von und über Theodor Fontane (Potsdam 1965)

488