Joao de Deus (1830—1896), mit seinem vollen Namen Joao de Deus Nogueira Ramos, gehört nicht nur zu den volkstümlichsten und meistgelesenen portugiesischen Dichtem des 19. Jahrhunderts, sondern ist vor allem auch, besonders in seinem Kampf gegen den Analphabetismus, als Pädagoge berühmt geworden. 1876 veröffentlichte er die Cartilha Maternal (Mutterfibel), die einige Jahre später als offizielle Schulfibel für ganz Portugal anerkannt wurde und die noch heute in den von seinem Sohn begründeten, weitverbreiteten und nach ihm benannten portugiesischen Kindergärten (Jardins-Escolas Joao de Deus) mit Erfolg benutzt wird. In der Tat handelt es sich um eine neue Leselemmethode, die von Joao de Deus entwickelt und erprobt wurde und die die traditionellen, unbefriedigenden Methoden ablöste. Sowohl sein langjähriges Engagement im Dienst der Erneuerung und Verbreitung des Lese- und Schreibunterrichts als auch seine außerordentliche Güte und Schlichtheit und die volkstümliche Einfachheit und Originalität seiner Gedichte machten ihn zu einer fast legendären Figur, die die Sympathie des gesamten Volkes auf sich zog, das ihn 1895 öffentlich feierte.
Für den Zweck unserer Untersuchung empfiehlt es sich, kurz die Notizen zusammenzufassen, die von Joao de Deus' Persönlichkeit und Werk ins gebildete Deutschland vom Ende des 19. Jahrhunderts gelangten. Denn anhand einer dieser Notizen läßt sich die Stellung erklären, die der Autor der Cartilha Maternal in Fontanes Roman Der Stechlin einnimmt.
Als Dichter war Joao de Deus in der deutschen literarischen Welt kaum bekannt. Nur ein paar lyrische Gedichte werden 1892 von dem Camoes- Ubersetzer und Portugal-Freund Wilhelm Storck ins Deutsche übertragen und in seiner Anthologie von Übersetzungen portugiesischer und brasilianischer Lyrik unter dem Titel Aus Portugal und Brasilien 1 veröffentlicht. Es handelt sich um die Gedichte „Trübes Los“, „Sympathie“, „Schicksal“ und „Verlust“, die den portugiesischen Originalen „Ärida Palma“, „Simpatia“, „Atracgao“ und „A Vida“ entsprechen.
Von 1896 an, das heißt nach dem Tod von Joao de Deus am 11. Januar gleichen Jahres, erscheinen in deutschen literarischen Zeitschriften drei vollkommen oder teilweise dem Dichter gewidmete Artikel, alle drei unterzeichnet von einer Journalistin aus Breslau, Hedwig Wigger-Barsch 2 , die eine auffallend umfangreiche und detaillierte Kenntnis des portugiesischen literarischen Lebens aufweist 3 . Der erste dieser Artikel wurde am 29. Februar 1896 in der berlinischen literarischen Zeitschrift Das Magazin iür Litteratur (Berlin, 65. Jg., Nr. 9, Spalten 295—298) veröffentlicht. Es handelt sich um einen Nachruf, in dem Hedwig Wigger nach der Zeichnung einer etwas romanhaften Biographie von Joao de Deus sein Werk als Dichter und Pädagoge rühmt. Die Person des Joao de Deus wird dem deutschen Leserpublikum als die eines im höchsten Maße guten Menschen, eines wahren Heiligen, vorgestellt, der, mit hohen dichterischen und pädagogichsen Fähigkeiten ausgestattet, das Beste seines Wissens und seiner Arbeit der Erziehung der Kinder widmete, vor allem der aus den unterprivilegierten Klassen. Besonders hervorgehoben werden die Alphabetisierungsarbeiten, denen der Dichter sich mit großem Eifer