die Art und Weise zu veranschaulichen, wie der Mensch dem Wandel der Zeiten ausgesetzt ist 13 .
Beide im Roman vorkommenden Arten von Aristokratie — die provinzielle und die städtische — stellen in Wirklichkeit zwei gleichzeitig gegensätzliche und verwandte Lebensformen dar. Beide werden ununterbrochen in ihren negativen und positiven Seiten analysiert und kritisiert, sowohl mittels der Dialoge als auch durch die verschiedenen sie verkörpernden Gestalten. In der ehelichen Vereinigung der Erben der beiden Familien schließlich, Woldemar von Stechlin und Armgard Barby, vereinigen sich symbolisch die beiden dargestellten Adelstypen. Woldemar und Armgard sind die Vertreter einer neuen Adelsgeneration, einer idealen Generation, die der Autor begreift als in der Landschaft verwurzelt und gleichzeitig der Welt gegenüber aufgeschlossen, allen wichtigen Problemen der Epochenrealität aufmerksam zugetan, namentlich der sozialen Frage. Jedem von ihnen steht eine Pädagogenfigur zur Seite. Neben Woldemar Pastor Lorenzen, sein Freund, Erzieher und Ratgeber. An Armgards Seite die ältere, erfahrenere Gräfin Melusine, die ausdrücklich bekennt, in Beziehung zur Schwester die gleiche Rolle gespielt zu haben 14 . Woldemar und Armgard sind und bleiben bis zum Schluß idealisierte, schematische und blasse Figuren 15 . Der Kern des ethisch-sozialen Ideals wird hauptsächlich über die beiden Erzieher dargelegt. Tatsächlich sind sie beiden dominierenden Persönlichkeiten in der Gruppe der „Neuen“, so wie der alte Dubslav von Stechlin mit seinem Humor, seiner Güte und seinem menschlichen Reichtum die Gruppe der Vertreter der alten Ordnung beherrscht. Aber vor allem von der Pädagogenfigur Pastor Lorenzen und dem Symbol Stechlinsee geht die im Roman enthaltene, in hohem Maße ethische, politisch-soziale Lektion aus 16 , und mit dieser Lektion und der Persönlichkeit Lorenzens ist unlösbar der Name Joao de Deus verbunden. Nach Meinung von Julius Petersen 17 , dem wir die erste umfangreiche Untersuchung über den Roman Der Stechlin und seine Entstehungsgeschichte verdanken, war es die Lektüre von Hedwig Wiggers am 29. Februar 1896 im Magazin für Litteratur 18 erschienenen Artikel, die Fontane dermaßen beeindruckte, daß er die Geschichte des portugiesischen Dichter-Pädagogen in das im Entstehen befindliche Werk aufnahm und als das Ideal Lorenzens darstellte, wobei dieser nun selbst an Bedeutung gewann.
Das Joao-de-Deus-Motiv begegnet uns an zwei wichtigen Stellen, des Romans, beide Male in unmittelbarer Verbindung mit Lorenzen. Das erstemal wird Joao de Deus von Woldemar von Stechlin erwähnt, als dieser im engeren Freundeskreis der Familie Barby von seiner Heimat und der Figur des Pastor Lorenzen erzählt. Das Gespräch entspinnt sich während einer Bootsfahrt, die Graf Barby, seine Töchter und Freunde auf der Spree zum Restaurant „Eierhäuschen“ unternehmen. Dazu aufgefordert, eine vollständige Beschreibung von Pastor Lorenzen zu geben, beschließt Woldemar, von seinem letzten Besuch bei ihm zu berichten, den er für den Charakter und die Anschauungen seines Meisters und Freundes als besonders aufschlußreich betrachte. Er erzählt also, Lorenzen
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