30 Julius Petersen (a. a. O., S. 38 bis 44) bringt die Figur Pastor Lorenzens (in der er ein Sprachrohr von Fontane selbst sieht) einseitig mit mehreren an die Christlich-Soziale Partei gebundenen Persönlichkeiten in Verbindung. Hans- Heinrich Reuter seinerseits neigt in seiner Interpretation dazu, die Verbindungspunkte zwischen Lorenzens Gedanken (ebenfalls als mehr oder weniger treues Abbild derer Fontanes betrachtet) und der deutschen Sozialdemokratie jener Zeit überzubewerten, und geht so weit zu behaupten, daß Fontane, wenn er im „Stechlin“ „den Adel, wie er sein sollte“ zeigt, „die Menschheit einer zukünftigen klassenlosen Gesellschaft“ (op. cit., S. 849) im Sinn hat. — Neben der zitierten Monografie Reuters vgl. diesbezüglich auch C. Jolles (op. cit., S. 91) und Peter Demetz, Kleinbürger oder Demokrat?, in: Die Zeit, 9. Januar 1970, S. 17.
31 Der Stechlin, S .279-280.
32 Der Stechlin, S. 139.
33 Hubert Ohl, Bild und Wirklichkeit. Studien zur Romankunst Raabes und Fontanes. Heidelberg 1968, S. 238.
34 Vgl. Vincent J. Günther, Das Symbol im erzählerischen Werk Fontanes. Bonn 1967, S. 96 fl.
35 Der Stechlin, S. 401.
36 Vgl. Walter Müller-Seidel, op. cit., S. 453-454.
37 Peter Hasubek, a. a. O., S. 244. — Vgl. auch Karl Reichert, Utopie und Staatsroman. Ein Forschungsbericht. In: Deutsche Vierteljahresschrift, 39, 1965, S. 278 bis 279. In diesem Zusammenhang verwundert es uns nur, daß Peter Hasubek. wenn er die Zeitromane in zwei großen Gruppen aufteilt: die der Romane, die utopische Züge aufweisen, und die derjenigen, die sich auf die Beschreibung und kritische Analyse der Zeitrealität beschränken, die Zeitromane Fontanes im allgemeinen in die zweite Gruppe einreiht, und beim „Stechlin“ keine Ausnahme macht. In der von Hasubek vorgeschlagenen Klassifizierung nimmt „Der Stechlin“, so meinen wir, eine Zwischenstellung ein.
38 Brief an Carl Robert Lessing vom 8. 6. 1896, in: Th. Fontane, Werke in zwei Bänden, Bd. 2, S. 1203.
Fernande Mockey (Abidjan, Republik Elfenbeinküste)
War Fontane ein Gesellschai'tsmensch?
I
Das Bild des gesellschaftlichen Lebens, wie es sidi aus den Romanen Theodor Fontanes ergibt, hat zweifellos sehr stark zu seinem Rufe als eines Gesellschaftsmenschen beigetragen. Dieser Ruf scheint jedoch nur die Reputation fortzusetzen, die sich Fontane bereits zu seinen Lebzeiten innerhalb seiner Familie erworben hatte, nämlich mit Exzellenzen zu Mittag und mit Künstlern zu Abend zu speisen 1 . Zahlreiche Bemerkungen in seinem Briefwechsel und in den Aufzeichnungen sowie in seinem Tagebuch beweisen, daß Fontane tatsächlich ein sehr reges gesellschaftliches Leben geführt hat, und scheinen somit diesen Ruf zu bestätigen. Zweifellos hat Fontane von seinem Vater her eine gewisse Neigung zum geselligen Leben geerbt. Louis Henri Fontane hatte ein offenes Haus, er empfing gern und lud wöchentlich zu Diners ein, die, zusammen mit seiner Spielerleidenschaft, seinen geschäftlichen Bankrott nur beschleunigen konnten. Er war ein Salonmensch, der sich in dem grauen Alltag einer
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