Heft 
(1979) 30
Seite
511
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schaftsleben auf er legen, vielleicht stärker fühlbar als die Freuden, die man daraus schöpft. Es ist auch richtig, daß Fontane in Gesellschaft nicht immer von leichtem Umgang war; es konnte Vorkommen, daß er sich von einer Unnachgiebigkeit zeigte, die an Unartigkeit grenzte. So ließ er zum Beispiel nicht zu, daß jemand, der eine Anekdote zum zweiten Mal erzählte, sie nicht ganz genau so wie das erste Mal wiedergab. In einem der Briefe, die von seiner Frau erhalten sind, wirft sie ihm vor, daß er seinen Gesprächspartner manchmal durch die Art verstimme, mit der er ihn so lange plagt, bis er eine Anekdote genauso wiedererzählt wie vor­her 4 .

In einem an Georg Friedlaender gerichteten Brief bekennt Fontane einen anderen Charakterzug, der ihn manchmal in ärgerliche Situationen bringt. In Gesellschaft, sagt er, nimmt er nicht genügend Rücksicht auf die an­wesenden Leute oder auf die Umstände der Unterhaltung, so daß es ihm passiert, Taktlosigkeiten zu begehen, indem er von Tatsachen spricht, über die er besser geschwiegen hätte 5 .

Von 1881 an scheint Fontane den Kreis, in dem er verkehrt, immer mehr einzuschränken. Die einzigen noch positiven Urteile über das Gesellschafts­leben, die man in seinen Briefen von dieser Epoche an lesen kann, betreffen die Empfänge bei seinen Freunden von eh und je: bei den Gentzens'", den Lessings 7 und den Heydens 8 .

Im Januar 1882 schlug er sogar eine Einladung im Hause des Grafen Eglofistein aus, denn man trifft dort, wie er sagt, zuvielGräflichkeit und Christlichkeit... 9 Dem Adel wirft er Mangel an Bildung vor 10 , Herab­lassung 11 , vor allem aber Oberflächlichkeit und Mangel an Wärme in den menschlichen Beziehungen, die man in diesen Kreisen anknüpfen kann 12 . Auch das Milieu der neuen Bourgeoisie findet kaum Gnade vor Fontanes Augen. Er zeigt sich sarkastisch bezüglich ihres Benehmens in Gesellschaft und ihres Mangels an Lebensart und Umgangsformen. Die Erklärung für diese plötzliche Abneigung Fontanes gegenüber den mondänen Treffen der höheren Gesellschaft wie auch der Bourgeoisie liefert uns Fontane selbst im letzten seiner Briefe vor seinem Tod 1898. Was für eine sonder­bare Koinzidenz, daß seine letzten Zeilen Fontane starb am 20. Septem­ber 1898 abends dem Gesellschaftleben gewidmet sind und dies sogar in versöhnlichem Ton 13 . Aber dieses letzte Zeugnis beweist auch, daß Fontane kaum die Seele eines Weltmannes hatte.

Die Eigenschaften, die er so sehr bei den Treffen im engen Kreise seiner intimen Freunde schätzt, nämlich menschliche Wärme, Umsichtigkeit und einen gewissen Altruismus, sind weit entfernt von dem, was die wesent­lichen Tugenden mondän-gesellschaftlicher Beziehungen ausmacht. Daher ist es keineswegs überraschend, daß er die oft beleidigenden, auf ihn persönlich abgezielten spitzen Bemerkungen als Bosheit, und die Un­möglichkeit, die Unterhaltung weiter als über zwei oder drei nichtssagende, förmliche Redensarten hinausführen, als Gleichgültigkeit ihm gegenüber empfand 14 .

Nach Fontanes Auffassung muß das gesellschaftliche Gespräch vor allem eine Gelegenheit bleiben zu wirklicher Kommunikation, zu einem echten