Austausch von Ideen, wobei man sich nicht nur der Lust des sich Aussprechens hingeben kann, sondern auch noch die Freude hat, seinen Gesprächspartner zu entdecken und besser kennenzulernen. Aus diesem Grunde schlug Fontane seinem Freundeskreis und seiner Umgebung eine neue Form des gesellschaftlichen Gesprächs vor, nämlich ein Gespräch, das sich aut zwei Personen beschränkt und diese in ihrer Unterhaltung von den übrigen Gästen absondert l ''.
III
Das zweite Mißverständnis entsteht aus der ganz besonderen Weise, in der sich bei Fontane die eigene mondäne Erfahrung mit seiner schöpferischen Tätigkeit verquickt. Auf den ersten Blick hin könnte man glauben, daß der Verfasser, der nach einer Fabel, einem Modell oder auch einer malerischen Episode sucht, sich auf irgendein gesellschaftliches Erlebnis besinnt, das ihm geeignet erscheint, das in seinen Romanen entworfene Gemälde der Berliner Gesellschaft auszuschmücken.
Aber für Fontane sind das gesellschaftliche Leben und vor allem die Diners mehr als nur zufällige Inspiration. In mehr als einer Hinsicht sind sie bei ihm ein wesentlicher Faktor seines Romanschaffens 10 . Sie sind die eigentliche Substanz seiner Schöpfungskraft, denn meistens schöpft Fontane die Fabel seiner Romane gerade in den Tischunterhaltungen, an denen er teilnahm. Tatsächlich merkt sich Fontane oft bei einer Tischunterhaltung gewisse Gespräche oder Anekdoten, die er dann in Romane umfabuliert.
So ist der Gegenstand des Romans „Effi Briest“, den er 1895 schrieb, die Frucht eines Gespräches, das im Jahre 1889 bei einem Diner bei seinen Freunden Lessing geführt wurde: Fontane erkundigte sich bei der Dame des Hauses nach einem gewissen Bekannten, dem Baron von Ardenne. Frau Lessings Antwort ist später in seinem Romanwerk zur Geschichte Effi Briests und Geert von Innstettens geworden.
Für den Roman „Frau Jenny Treibei“ scheint ein Empfang als solcher den Gegenstand motiviert zu haben: In einem Brief an seine Tochter Martha vom 18. April 1884 schildert Fontane ein Geburtstagsessen bei seiner Schwester Jenny Sommerfeldt, die als Modell für die Kommerzien- rätin Jenny Treibei im Roman gedient hat 17 . Die große Tafelszene, mit der der Roman beginnt und die sich über 35 Seiten hinzieht, erscheint wie ein literarisches Abbild des Diners im Sommerfeldt’schen Hause. Denn die Beschreibung, die Fontane seiner Tochter davon gibt, hat in gewisser Hinsicht durchaus die Aspekte einer Vorstudie, so sehr gleicht ihr Ton dem des Romans.
Als letztes Beispiel sei der Roman „Cecile“ genannt, der zeigt, bis zu welchem Ausmaß bei Fontane das literarische Werk seine Substanz aus Tischgesprächen ziehen kann: Der Gegenstand des Romans, die Gestalten und deren Vorbilder 18 , die Unterhaltungen selbst, alles entspringt den Unterhaltungen bei Tisch, an denen Fontane, sei es in Berlin, sei es in Thale, wo sich ein Teil der Handlung abspielt, teilgenommen hat 19 .
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