mittels eines harmlosen, unpersönlichen Gesprächsgegenstandes die empfindliche Seite seines Gegenüber zu berühren.
IV
Und damit kommen wir zum dritten Mißverständnis. Es liegt im Begriff „mondän“, den man den Unterhaltungen in Fontanes Romanen beilegt. Ihr „Mondän-Sein“ soll hier keineswegs abgestritten werden. Aber weil dieser Begriff eine gewisse Futilität, ja sogar eine gewisse Nichtigkeit der Unterhaltung impliziert, neigt man dazu, den Plauderton, den Fontane in seinen Romanen benutzt, auf eine besondere Berliner Gesellschaftsschicht innerhalb seines Sittengemäldes zu beschränken.
Zwei Ausdrücke, die oft wiederkehren, wenn Fontane vom gesellschaftlichen Leben spricht, haben zweifellos zu dieser Meinung beigetragen. Der erste Ausdruck, die „Gesellschaftsfähigkeit“, d. h. in gewissem Sinne die persönlichen Fähigkeiten zum Gesellschaftsleben, ist bei Fontane ein recht komplexer Begriff und umfaßt zahlreiche Bedeutungen. Gesellschaftsfähigkeit bedeutet zunächst repräsentativ sein, und dies aufgrund einer guten Erziehung und des Anstandes durch Achtung und Schicklichkeit und durch die Kunst, Gäste zu empfangen und eingeladen zu werden. Weiterhin bedeutet sie die Kunst aufzutreten und durch geschickt und bewußt demonstrierte Bildung und Kenntnisse zu glänzen 20 . Schließlich und vor allem ist sie die Kunst, in Gesellschaft eine Unterhaltung zu führen, und hierbei scheint für Fontane eine der wesentlichen Tugenden die Bildung und die Begabung zu sein, interessant über Kunst und Literatur zu sprechen oder Anekdoten zu erzählen 21 .
Der zweite Ausdruck, die „Geistreichigkeit“, d. h. die Fähigkeit, eine geistreiche und spritzige Konversation zu führen, umfaßt ebenfalls Kriterien, die eher in das Gebiet des Sozialen als in die des Sprachlichen oder des Kulturellen gehören. In den Tischszenen verbindet Fontane eine geistreiche Form der Unterhaltung mit einer gewissen kosmopolitischen Einstellung. Dies ist der Fall zum Beispiel in den Reden, die von Gordon Leslie, Amelie von Pudagla, Melusine von Barby, Friedrich von Bülow oder auch der Superintendant Koseleger führen. Der parti- kularistische Preußengeist, den er in den Unterhaltungen meistens diesem Kosmopolitismus entgegensetzt, zeigt sich dagegen in der heftigen, beißenden Art, die man in den Reden von Leuten wie Bamme, van der Straaten, dem alten Grafen von Haldem, Czako oder auch Professor Schmidt und seiner Tochter findet. Sie zögern keinen Augenblick, Anstand, guten Ton oder Lebensart zu verletzen, um sich an einer boshaften Pointe oder an schlüpfrigen Reden zu vergnügen. In ihrer Sinnesart zeigt sich vor allem die Freude am Paradoxen, der Hang zu Scherz und Posse, die Vorliebe für Zweideutigkeiten und der Spaß an den, nach Herbert Roch 22 , für den Berliner Unterhaltungston typischen Bosheiten.
Bereits aus der Gegenüberstellung dieser beiden Geisteshaltungen ist die besondere erzählerische Absicht zu ersehen, die Fontane zuweilen dem mondänen Ton der Unterhaltung zu geben vermag. Fontanes Gewohnheit, seine Romangestalten durch deren Reden und Gespräche zu charakteri-
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