Heft 
(1979) 30
Seite
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zwischen der inneren Entwicklung seiner Romangestalten, dem Gang des Romans und den Unterhaltungen bei Tisch. Durch die Art, wie Fontane die herkömmliche Sprache gebraucht, und vor allem durch den Einfluß, den gewisse Bilder, Ausdrücke oder Cliches bewirken, erweckt er auf eine ganz subjektive Art Analogien und Doppelsinnigkeiten bei den Unter- haltungsteilnehmem. Der Sprechtakt wird somit zu einem wichtigen Faktor in den Beziehungen zwischen den Tischgenossen. Der Verfasser gebraucht die Unterhaltungen dann in der Darstellung der Intrige, um die Veränderungen oder die Entwicklung im Verhalten seiner Personen zu beschreiben.

Fontane bedient sich also der Tischunterhaltungen meistens, um durch gewisse Mängel in der sprachlichen Kommunikation hindurch die mensch­lichen Probleme zu zeigen. Auf diese Weise überraschen die Tischunter­haltungen über den Reiz der geistreichen Reden und die weltmännische Sprache hinaus durch die Intensität dessen, was nicht anders als nur versteckt und stillschweigend ausgedrückt werden kann. Fontane stellt damit die Frage nach der Wirksamkeit der Sprache in ihren sozialen Erscheinungsformen und betont gleichzeitig die Wichtigkeit der Subjek­tivität im Sprechtakt.

Anmerkungen

1 Vgl. Brief an Lise Weber vom 22. Dezember 1880:Es versteht sich von selbst, daß trotz dieser Zurückgezogenheit von der Welt, zu der mich Neigung und Ver­hältnisse gleichmäßig bestimmen, die uralte Legende fortlebt, ich führte eigent­lich ein Leben wie in Tausendundeiner Nacht, dinierte mit Excellenzen und soupierte mit Künstlern.

2 So sagt z. B. Sander inSchach von Wuthenow (Fontane, Th.: Erzählungen. Bd. 3. Berlin & Weimar: Aufbau-Verl. 1969, S. 390):...Unser Essen und Trinken, soweit es nicht der gemeinen Lebensnotdurft dient, muß mehr und mehr zur symbolhaften Handlung werden, und ich begreife Zeiten des späteren Mittelalters, in denen der Tafelaufsatz und die Fruchtschalen mehr bedeuten als das Mahl selbst.

3 Vgl. Brief an seine Tochter Martha vom 18. April 1884: .Alles, was an­

geschafft oder wohl gar ,vorgesetzt* wird, wird mit einem Blicke begleitet, der etwa ausdrückt: .Beglückter du, der du von diesem Kuchen essen, von diesem Weine trinken durftest*: alles ist kindische Überschätzung einer Wirtschafts­und Lebensform, die schließlich gerade so gut Sechserwirtschaft ist wie meine eigene, Ja. sie ist es mehr, ist es recht eigentlich. Ein Stück Brot ist nie Sechserwirtschaft, ein Stück Brot ist ein Höchstes, ist Leben und Poesie, ein Gänsebratendiner aber mit Zeltinger und Baiser-Torte, wenn die Wirtin dabei strahlt und sich einbildet, mich der Alltäglichkeit meines Daseins auf 2 Stunden entrissen zu haben, ist sechserhaft in sich und doppelt durch die Gesinnung, die es begleitet. Der Bourgeois versteht nicht zu geben, weil er von der Nichtig­keit seiner Gabe keine Vorstellung hat. Er ,rettet* immer . . .

4 Vgl. einen nur teilweise veröffentlichten Brief Emilie Fontanes vom 11. Juni 1878, im Fontane-Archiv unter Signatur B 315 aufbewahrt.

5 Vgl. Brief an Georg Friedlaender vom 5. Juli 1886.

6 Alexander Gentz (18251888), Unternehmer in Neuruppin. Wilhelm Gentz (18221890), Maler und Jugendfreund Theodor Fontanes. Vgl. in diesem Zu­sammenhang den Brief an die Tochter Martha vom 17. Februar 1882:Mit mir geht es etwas besser, aber immer noch nicht gut, was ich unter anderm daran sehe, daß ich noch immer keine Lust habe, beim Prinzen Champagner zu trinken: gäbe es statt des Champagners Schwarzhof oder Brauneberger und statt der Parmesanstangen Kümmelbrötchen, so hätt ich mich vielleicht schon wieder gesundgemeldet. Leider kann ich immer noch nicht arbeiten, nur dann und wann ein Brief. Das Diner bei W. Gentz, von dem Dir Mama vielleicht

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