Heft 
(1979) 30
Seite
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lungsart, ich halte mich deshalb für interessant und apart. Aber die Menschen wollen im ganzen genommen nichts davon wissen. Es geht mir mit meinem Wesen, Charakter und gesellschaftlichen Auftreten wie mit meinen Büchern; einige sind sehr davon eingenommen, aber die große, große Mehrheit läßt mich im Stich . . .

lo Brief an Martha Fontane vom 16. Februar 1894:Ich habe diese Form der Unterhaltung jetzt eingeführt; bei Heydens, bei der Frau Fritsch, bei den Fräulein Vollmars neulich machte ich es ebenso. Gewiß läßt sich viel dagegen sagen, aber wohl noch mehr dafür. Die Wirte haben sicherlich die Verpflichtung, sich um die Notleidenden zu kümmern und in raschem Wechsel mal hier, mai da rettend einzuspringen: eigentlich aber haben sie die viel lohnendere Ver­pflichtung, die nötige belle alliance zwischen zwei Einsamen herbeizuführen. Ist die Gesellschaft dazu da, eine öde Abwicklung von Artigkeitsformen zu sein, so sind solche Privatunterhaltungen ein horreur, sollen die Gesellschaften aber was Vergnügliches sein (und mit Ausnahme von Repräsentationsgesellschaften sollen sie das), so muß man, statt drei Worte zu wechseln, sich mußevoll was erzählen können. Wer das nicht kann oder will, tut am besten, zu Hause zu bleiben. In seiner AutobiographieVon Menschen und Dingen, Leipzig 1929, bestätigt Eduard Engel das außerordentliche Talent Fontanes,das gesellschaft­liche Gespräch zu zweien zu führen.

16 Vgl. Fernande Mockey:Les Propos de table dans les romans berlinois de Theodor Fontane. Structure, Function, contenue social et politique, S. 45 ff.

17 Brief an Martha Fontane vom 18. April 1884:Der ,stille Abend 4 resultiert aus Tante Jennys Geburtstag, zu dessen Mitfeier Mama gegen 6 auf brach. Ich war schon über Mittag da und habe seit meinen Bräutigamstagen nicht soviel geküßt wie in dieser Gratulationshalbenstunde, denn es waren 18 zu Küssende da: das Geburtstagskind, der Ehegemahl, 7 Kinder, 4 Schwiegerkinder und 5 Enkel. Keiner fehlte. Die ganze Sache machte einen vorzüglichen Eindruck, alles war heiter, glau, behäbig, ungeziert und von gutem Aussehn (die sogenannte .kleine Jenny* eine wahre beaute), und doch hatte ich keine reine Freude. Warum nicht? ..."

18 Mit Fabel des Romans wurde er bekannt durch die Unterhaltung während eines Diners bei Baron Philipp zu Eulenburg, einem preußischen Diplomaten und Vertrauten Kaiser Wilhelms II. Vgl. Fontanes Tagebuch, Eintrag vom 21. Januar 1882. [Fontane-Archiv.]

19 Modell für die Gestalt Ceciles. der ehemaligen Favoritin des Fürsten von Welfen- Echingen und dann seines Neffen und Erben, des Fürsten Bernhard, war die Baronin von Rothenburg, die Schwiegertochter des Fürsten von Hohenzollern- Hechingen, die Fontane am Gästetisch desHubertusbad in Thale kennenlernte, wo er sich im Sommer 1884 aufhielt. Vgl. Fontanes Brief an Friedrich Stephany vom 18. Juni 1884.

20 Fontane schreibt diesbezüglich an seine Tochter in einem Brief vom 5. Mai 1883:

.Nach Tisch hatte ich ein langes Gespräch mit beiden Gudes und war in

der angenelmen Lage, mit meinen neu eingeheimsten Kenntnissen norwegischer Literatur, namentlich mit Elster und Alexander Kjelland. . . paradieren zu können. Daß ein Gespräch einem den Gefallen tut, gerade die Punkte zu berühren, über die man sich kurz vorher informiert hat. ist sehr selten: von Paul Heyse pflegte Fr. Eggers zu sagen: ,Mit zu seinen größten Talenten gehört, das, daß er das Gespräch vorzuschreiben und dann regelmäßig mit dem zu brillieren weiß, was er an demselben Vormittag gelesen hat! 4

21 In einem ebenfalls an seine Tochter gerichteten Brief vom 25. August 1891 wirft Fontane recht diskret seinem guten Bekannten Georg Friedlaender vor, daß er unaufhörlich die Unterhaltung auf persönliche Dinge bringen will: . .. Er, Friedlaender, der natürlich den Löwenanteil der Unterhaltung bestreiten will, ist, wie Du weißt, in den Banden des Persönlichen, nur was er erlebt hat, nur was in seinen Umgangskreis eingetreten ist, interessiert ihn, und ein Gespräch über das Angelsachsentüm (was ich übrigens ausnahmsweise hier nicht geführt habe), über die historische Mission der Stämme zwischen Elbe, Weser und Ems. über ihre Verwandtschaft mit dem Skandinavischen und ihre Ver­schiedenheit davon, über ihre Verquickung mit dem Keltischen einer- und dem Slavischen andrerseits ein Gespräch über Themata der Art langweilt ihn sofort, kaum daß er Geduld hat, einer altenfritzischen Anekdote zuzuhören, wenn sie nicht sehr drastisch ist.

22 Herbert Roch: Fontane, Berlin und das 19. Jahrhundert. Berlin: Weiss 1962, S. 254.

23 Fontane, Th.: Romane u. Erzählungen. Bd. 1, S. 169196. Berlin & Weimar: Aufbau-Verl. 1969.

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