Heft 
(1979) 30
Seite
521
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Wochenenden ins Grüne strömten, sei es an die Seen der Havel, nach Werder oder Potsdam, in das Wald- und Seengebiet um Kloster Lehnin oder in den Brieselang, so ist es bis heute geblieben. Das Wandern nach und mit Fontane ist wieder in Mode gekommen. Und jeder greift dankbar zu Fontane. Denn trotz aller wissenschaftlicher Gelehrsamkeit, allem Fleiß und besten Bemühungen anderer erschließt sich die Mark am ehesten mit einem Fontaneschen Wanderungsband in der Tasche. Denn welch einen Reichtum an lebensvoll dargebotenen historischen Begeben­heiten und landschaftlichen Eindrücken vermitteln uns dieWanderungen '. Aufmerksame und feine Beobachtung kennzeichnet solche Kapitel wie Das Havelländische Luch oderDer Brieselang. Hier werden Stim­mungen festgehalten und Situationen beschrieben, die zu den besten Kapiteln aller Wanderungsbände gehören. Und wer vergißt die realisti­schen Schilderungen einfacher märkischer Landleute, die dem Dichter oftmals nur am Rande des Weges zufällig begegneten und neben denen die so ausgiebig und langwierig beschriebenen Adelsfamilien der Mark verblassen.

Es soll und kann hier nicht unsere Aufgabe sein, am Werk Fontanes Kritik anzusetzen. Das wäre vermessen. Eine Frage wirft sich dem Leser und Fontane-Freund immer wieder auf. Wie ist das Phänomen zu erklären, daß Fontanes Werke, hier seineWanderungen nach über einhundert Jahren noch so aktuell sind und so überaus zahlreiche Leser finden? Eine Antwort ist nicht schwer. Es besteht bei der Bevölkerung ein außer­ordentliches Bedürfnis nach heimatkundlicher Information. Diese muß aber, und das hatte Fontane voll erkannt und mehrfach betont, nicht wissenschaftlich trocken und voll von Zahlen und Statistiken sein, sondern lebendig und anschaulich, mit Lebensbildern menschlicher Schicksale, mit -Geschichten und Anekdoten angereichert, dabei auch kritisch-mutig sein und darf die Realitäten des Daseins nicht übersehen. Gerade das aber hat Fontane getroffen, und alles meisterlich in Stil und Sprache. So haben seineWanderungen, mögen auch manche Einzelheiten von der Forschung zurechtgerückt worden sein, bis heute ihren Glanz nicht verloren. Es hat nicht an Epigonen gefehlt, die auf Fontanes Spuren wandelten und ähnlicheBilderbogen vorlegten, erreicht hat ihn keiner.

Wie in den beiden Bänden Ruppin und Oderland gehen die Herausgeber im Anhang zum Fontane-Text auf die Entstehungsgeschichte, die Werk­überlieferung und die zeitgenössische Resonanz ein. Wie bei den anderen Bänden können sie nachweisen, wie kompliziert der Entstehungsprozeß und die inhaltliche Konzeption des Bandes vom Dichter vorangetrieben wurde. Fontane hat es sich mit seinen Wanderungen wahrlich nicht leicht leicht gemacht. Manches Kapitel wurde verworfen und fortgelassen. Daher wird der angekündigte Band 6 derWanderungen dem Leser noch allerlei Überraschungen bringen.

Die Anfänge des Havelland-Bandes gehen bis in den August 1860 zurück. 1872 erschien er in einer Buchausgabe. Erler und Mingau teilen interes­sante Angaben über die zeitgenössische Wirkung des Bandes mit. Fontane .war zu dieser Zeit kein Erfolgsautor. Die 1500 Exemplare der