„Weltbetrachtung“ zwanglos zusammengefügt. Die einzelner Kapitel dieser drei großen Abschnitte sind mit Überschriften versehen, die stets von Fontane selbst stammen. So begegnen dem Leser bereits im Inhaltsverzeichnis vertraut und teuer gewordene Worte wie „Eigen war mein Weg und Ziel“, „Das Glück liegt woanders“, „Erziehung tut nicht viel“, „Heldentum ist Ausnahmezustand“ oder „In aller Kunst kommt es auf etwas zu Herzen Gehendes an“ usw.
Die behauptete Objektivität der Auswahl gilt sowohl für das „Selbstbildnis“, in das sich Christoffel durch ausgefeilte Zwischentexte gelegentlich einschaltet, wie für die Zusammenstellungen von Äußerungen Fontanes über Mensch und Gesellschaft, die des überleitenden Kommentars nicht bedürfen. Da biographische Selbstanalyse und Gesellschafts- und Weltbetrachtung untrennbar sind, taucht manches Zitat zweimal auf. Unterschiedliche Länge der Zitierung schließt dabei die Gefahr mechanischer Wiederholung aus.
Im Biographischen spiegelt sich die Objektivität zum Beispiel in gebührender Berücksichtigung des „Sekretariatsjahres“ als eines entscheidenden Umschlagspunktes in Fontanes menschlicher, weltanschaulicher und künstlerischer Entwicklung. Die Fontane-Gemäßheit und Gültigkeit der Gesellschaftsbetrachtung zeigt sich prägnant in Kapiteln wie „Die ledernsten Geschöpfe Gottes“, womit Fontane die Vertreter der Bourgeoisie meinte, „Die Episode Preußen“, „Der große Knote der Weltgeschichte“, nämlich Preußen-Deutschland, oder „Die Welt liegt in Wehen“. Der Kapitelaufbau, die Aneinanderreihung der Äußerungen Fontanes zu einem Leitmotiv seiner Erfahrungen und Anschauungen, folgt notwendig nicht immer der Chronologie. Im Interesse der motivisch-thematischen Variation und Konzentration wird vielfach davon abgewichen. Oft bilden Verse den Auftakt oder den zusammenfassenden Abschluß.
Auch oder gerade der Fontane-Freund liest mit Behagen, mit Genuß und Gewinn. Mir war die kritische Äußerung Fontanes über Hermann Sudermann unbekannt, die zu Alfred Kerrs leidenschaftlichem Kampf gegen diesen Pseudonaturalisten überleitet und die selbstverständlich im Kapitel „Parkettplatz 23“ zu finden ist. Die skeptischen Worte Emilie Fontanes über die dichterische Begabung ihres Mannes gegenüber Gerhart Hauptmann waren mir nicht mehr erinnerlich. Auch der Ursprung der Worte „Was soll der Unsinn?“, der auf S. 58 anschaulich und prägnant mitgeteilt wird, dürfte nicht allzu bekannt sein. Weiter und wieder fällt auf, daß der „eigentliche“ Fontane sich in der Causerie der Briefe früher ankündigt als anderswo.
Die Objektivität der Auswahl wurde offensichtlich von der Nachkriegssituation mit dem endgültigen Zusammenbruch des Preußentums begünstigt. Neben den negativen Erfahrungen mit dem deutschen Imperialismus, besonders mit Wilhelminismus und Nazismus, und neben dem eigenen demokratisch-gesellschaftlichen Engagement in der unmittelbaren Nachkriegszeit haben den 1895 geborenen Herausgeber offenkundig langjährige und intensive Beschäftigung mit den Werken Goethes und Thomas Manns zu der objektiven Fontane-Auswahl befähigt, die sich in den Kommentar-
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