aufgebaut wird, wie aus Maria Eva wird— wir würden sagen: wie aus dem behüteten Kind die Frau Baronin und Landrätin, Elfis Rolle in einer typischen Standesehe wird.
Wir bestreiten nicht, daß christliche Leser die bezeichnete Textebene in ähnlichem Sinne nachvollziehen können. Wir bestreiten hingegen energisch, daß sich die damit verbundenen Bedeutungen (oder gar die kritischen Intentionen des Autors) in dieser Reihe aufbauen und auf solche Punkte reduzieren. Die Macht der gesellschaftlichen Verhältnisse freilich, die hinter solchen Leitlinien stehen und die Fontane auch ins Bild bringt, zeigt Schuster immer nur indirekt 4 .
Im zweiten Teil seiner Arbeit (Kap. 5—8) setzt Schuster neu an. Wollte er zunächst die Leitbilder aufbauen und Fontanes Gesellschaftskritik im Umgang mit solchen Klischees darlegen, so interessiert ihn nun das „Gegenbild zu seiner Gesellschaftskritik“ (S. 111), so will er nun Fontanes „Apologie des Humanen“ (S. 123) dagegensetzen. Er setzt beim Sinn-Bild des Heliotrop an, wobei sich erneut zeigt, daß ohne eine umfassende Strukturanalyse Bedeutungen immer nur partiell (und insofern nur bedingt beweiskräftig) nachgewiesen werden können.
Schuster konstruiert als tragende Achse einer zeitgenössischen Lesart das Zusammenspiel von „mythischen Präfigurationen“ (S. 110), wie er sie im ersten Teil seiner Arbeit aufgebaut hat, mit dem Symbolwert des „Heliotrop“ als konzentriertestem Ausdruck für Fontanes „Apologie des Humanen“ (ebd.). Durchaus interessant der Vergleich mit Werken der bildenden Kunst, aus dem hervorgeht, daß Sonnenblumensymbolik (Heliotropismus) einen weiten Umkreis überlieferten Denkens einschließt (Hinwendung zum Licht, zur Natur und, in christlichem Verständnis, zu Gott). Von hier aus wird auf „Wesensverwandtschaft zwischen Effi und dem Heliotrop“ (S. 117) geschlossen — und schließlich werden Heliotrop und Rollenfixierung als komplementäre Vorstellungsbereiche (Konstituante^ bezeichnet, die auch sonst „durchgehend Fontanes Denken über soziales Leben bestimmten“ (S. 123).
Hier schließt sich der Kreis, in dem Schuster interpretiert, Vergleiche zur bildenden Kunst sucht und findet, und den zu überschreiten ihm unmöglich scheint.
Rollenfixierung und Natürlichkeitsanspruch Fontanescher Figuren werden als Einheit und Gegensatz gesehen, als Kritik an der Gesellschaft und vorsichtige Aufforderung zum Bruch mit generellem Resignieren (vgl. S. 133), als Entwurf für menschenfreundliche Beziehungen, Das ist nicht wenig, und von hier aus kann auch zu Fontanes Realismus geführt werden (der Aufgabe von Kap. 7 und 8).
Aber dieses Zusammenspiel scheint nur im Raum christlicher Bilder zu funktionieren. Die Leidensgeschichte der Elfi Briest wird so schließlich zur „Heilsgeschichte“ (S. 130). Einige grenzüberschreitende Bezüge werden in der Zuordnung von Roswitha (S. 128) und Gießhübler (S. 133 f.) angedeutet. Alles in allem richtet sich das Werk nach Schuster vornehmlich „gegen die christliche Gesellschaft“, soweit sie „zu ihren christlichen
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