Heft 
(1979) 30
Seite
531
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Idealen in Widerspruch geraten ist" (S. 126). Von hier aus scheint kein Weg zur historischen Realität selbst und zur Historisierung jener gleich­sam autonomenmenschlichen Natur" zu führen, die in Eft'i, dem alten Briest, auch Roswitha und Gießhübler verkörpert ist und die in Beziehung zum Heliotrop steht. Analyse und Entwurf bleiben für Schuster im Rahmendes (ausgehöhlten) Klischees.

Zur Realismusproblematik, die Verfasser wichtig ist und der er weitere 50 Seiten widmet, kann so nur in sehr beschränktem Sinne und mit einer Ausnahme nicht eigentlich neu beigetragen werden. Dazu bedürfte es eines historischen wie kunsttheoretischen Konzepts, in dem sich Entfremdungsproblematik (Schuster sagt:bloß äußerliches Leben, S. 160) als konkretes Symptom der beginnenden Imperialismusentwicklung nach 1870 und Fontanes Schreibweise wechselseitig erhellen 5 .

Schuster schließt in diesem Teil der Darlegungen an seine Beobachtungen zur Malerei der Zeit (s. Kap. 3) sowie andere von Fontane geschätzte Bilder an (Niederländer, Fr. v. Stuck, Manet). Er kennzeichnet Fontanes Stil mit Panofsky 6 alsdisguised symbolism und nennt vor allem die Sinngebung des Details (136 ff.), den Andeutungsstil (147), die Reduktion des Faktischen (159), Arbeit mit Literatur- und Bildzitaten (163 ff.), die Forderung nachVerklärung (17581), den Sinn für die Gleichzeitigkeit des Verschiedenen (183). Das ist nicht uninteressant, bleibt aber eine Aufzählung von Elementen der Schreibweise, die selbst da, wo andere Werke und Autoren einbezogen werden (159 if.), nicht über Bekanntes hinausführt 7 .

Deutlich ist zu verfolgen, wie Verfasser bis zum Schluß (vgl. S. 172 ff.) methodologisch suchend bleibt, u. a. mit dem Eingeständnis, gegen das Schichtenmodell Panofskysgesündigt zu haben (172). Dieses verpflichtet den Interpreten, die Symbolebene und die Ebene der gegenständlichen Phäomene in Beziehung zu setzen, sich ihrer Rangfolge bewußt zu sein. Wäre dies geschehen, so könnte auch am Beispiel des Spukmotivs (S. 172 ff.), das Fontane einen Drehpunkt genannt hat, die wachsende, im Kontext sich erweiternde Deutung und Bedeutung realistischer Details vorgeführt werden, mit denen Fontane ein hohes Maß an gesellschaftlicher Typi­sierung erreicht.

Die Symbolebene erschiene dann als (mögliche) Leistung der Darstellung und Interpretation in unterschiedlicher Reichweite, wozu durchaus die Analogien zu christlichen Leitbildern gerückt werden können. Fontanes Arbeit am Stoff schließt diesen weiten Bezug zum Leser und zur Gesell­schaftsentwicklung ein.

So mag man Verfasser vor allem darin zustimmen, daß Fontane mit seinem universellen Kunstinteresseals eine noch kaum hinreichend erkannte Quelle für die bildende Kunst des 19. Jahrhunderts gelten kann (S. 184), während das Resümee Schusters über die Möglichkeiten einer vergleichenden Kunstwissenschaft (S. 185) nicht gleichermaßen überzeugt. Trotz der methodologischen Unzulänglichkeiten des Buches läßt es sich kritisch als Aufforderung zur Interpretation vonEffi Briest unter Rezeptionsaspekten lesen.