Friedrich Spielhagens „Sturmflut 1 , Fontane „Efli Briest“ und eine Anzahl von Romanen Wilhelm Raabes, vom „Hungerpastor“ bis hin zu dem Romanfragment „Altershausen“.
Dem Autor, der von dem „genetischen Strukturalismus“ Lucien Goldmanns (1913—1970) beeinflußt ist, geht es im Prinzip darum, Strukturen zu erkennen bzw. die Erkenntnis von Strukturen (nämlich der Wirklichkeit durch den Dichter) zu untersuchen und die Beziehungen zwischen Wirklichkeitsstruktur und Werkstruktur festzustellen. Sofern dabei als selbstverständlich angenommen wird, daß dichterisches Schaffen Erkenntnis zur Voraussetzung hat, steckt in diesem literaturtheoretischen Strukturalismus ein positives Element, was immer der Strukturalismus sonst beabsichtigen mag. Kafitz schreibt: „Je objektiver die Weitsicht des Dichters ist, d. h. je mehr sie auf Erkenntnis der Wesensstrukturen des zu Erkennenden gerichtet ist, um so deutlicher ergibt sich eine Annäherung von Romanstruktur und Realitätsgehalt“ (S. 20). Als Maximalforderung, als „ideellstruktureller Wertmaßstab kann Wirklichkeitsadäquatheit gelten, d. h. die Entsprechung von Romanstruktur und Sinnstruktur der Wirklichkeit“ (S. 23). Daß allerdings der Begriff Wirklichkeit, mit dem dabei gearbeitet wird, weder besonders scharf noch konkret ist, zeigt Kafitz’ Einschränkung, die besagt, daß „sinnhafter Wirklichkeitsbezug zunächst nur ex negativo: im Vermeiden von Einseitigkeit faßbar wird“ (S. 23). Es soll,, Sinntotalität“ angestrebt werden (S. 22). Dieser „Totalität“, deren Begriff aus der hegelianischen Ästhetik Friedrich Theodor Vischers übernommen ist, steht als „Gegenpol“ eine „bloße Intentionsadäquatheit“ gegenüber, „d. h. die Entsprechung von Romanstruktur und Verfasserideologie“ (S. 23).
Hier müssen unsere Einwände einsetzen. Die Stellungnahme des Verfassers gegen ein — wie er sagt — „dogmatisch einseitiges Weltverständnis“ und gegen „ideologische Fixierung“ (S. 22) laufen nämlich auf eine Ablehnung der Parteilichkeit des Dichters hinaus. „Die Entgegensetzung von Romangestalten“, meint Kafitz, „dient nicht mehr einer umfassenden Totalität, wenn der Erzähler einseitig Partei ergreift und damit einen vermittelnden Ausgleich verhindert“ (S. 16 f.). Kafitz nennt als Beispiele „vulgärmarxistische Romane, in denen“ — nach der Formulierung von Kafitz — „sich die Marxsche Dialektik des Klassenkampfes zur polemischen Entgegensetzung von Ausbeutern und Ausgebeuteten reduziert“ (Titel führt Kafitz nicht an) und „gesellschaftskritiscE-moralisierende Romane“ wie Frey tags „Soll und Haben“ (S. 17). Man sieht daraus, was die Aufforderung, die „Totalität“ der Wirklichkeit zu erfassen, letzten Endes bedeutet!
Wenn ferner — im Anschluß an Lucien Goldmann — „dichterische Gestaltung“ statt „weltanschaulicher Perspektivierung“ verlangt wird (S. 89), so ist damit eine „bloß konstatierende Widerspiegelung der Wirklichkeit“ gemeint, die zwar Widersprüche und Probleme auf zeigt, sich aber nicht herbeiläßt, Lösungen anzubieten oder auch nur in der Perspektive anzudeuten. Es soll daher ein Vorwurf sein, wenn Kafitz bemerkt: „Folgerichtig lehnen sowohl die sozialistischen Realisten wie der bürgerliche Realist Freytag eine bloß konstatierende Widerspiegelung der Wirk-