Heft 
(1967) 5
Seite
180
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eines Übergangs vom Alten zum Neuen, zum Ausdruck, eines Bewußtseins, das auch dem stillen Ruppiner Winkel nicht fernbleibt. Denn es ist gerade dieser See Stechlin, der durch seine Weltbeziehungen die Verbindung dieses abgelegenen Stückchen Erde mit der großen Welt draußen symbolisiert. Zu­rückgezogenheit oder gar sich Einmauern und Weltverbundenheit, in dieser Kontrastierung wird eins der wesentlichen Motive des Romans entwickelt. Schon Woldemar, Czako und Rex bedeuten bereits einen Einbruch der Welt in die Stille des Stechliner Herrenhauses, dem der alte Herr mit allem Auf­gebot der nachbarlichen Gesellschaft entgegenkommt. Das Tafelgespräch führt dann auch sehr bald zu diesen Fragen derweiten Welt" und derSta- bilierung". Oberförster Katzlers früherer Feldjägerberuf habe ihn, so meint Rex, sicher in die weite Welt hineingeführt, während er jetztstabiliert" sei. Und Rex, in dem Augenblick, wo er glaubt, Lorenzens Ansicht,daß er (Rex] dem Leben draußen in der Welt vor dem in unsrer stillen Grafschaft den Vorzug" gebe, mit einer Einschränkung begegnen zu müssen, plädiert doch für dasAuch-draußen-zu-Hause-sein" und weist den Pastor auf das Wirken seines Vorbildes, des Hofpredigers Stöcker in der Weltstadt Berlin hin. Es ist am Ende dieser Tischzsene, daß die Worte Altes und Neues 12 zum ersten Male fallen und die Hauptmotive sich verflechten.

Nach den zwei ersten Kapitelgruppen, die uns in die stille und enge Welt von Schloß Stechlin und Kloster Wutz geführt haben, werden wir nun mit Lebenskreisen in der Weltstadt konfrontiert, die sich in ihrer Lebensweise und ihren Anschauungen noch durch ihre Verbindung mit der weiteren Welt besonders auszeichnen. Es sind die Kreise der Barbys und Berchtesgadens, vor allem aber der Barbys, in deren Hause Woldemar von Stechlin verkehrt. Und doch wird zuerst auf die Ähnlichkeit zwischen dem alten Grafen Barby und dem alten Stechlin hingewiesen, deren humanes Wesen, Freundlichkeit und gute Laune sie fast wie Zwillingsbrüder erscheinen lassen. Wenn trotz­dem eine Verschiedenheit besteht, so scheint sie durch den verschiedenen Lebensweg erst geschaffen:Ein Botschaftsrat ist eben etwas anderes als ein Ritterschaftsrat, und an der Themse wächst man sich anders aus als am ,Stechlin' . . . Nebenher freilich ist er [Barby] Weltmann, und das gibt dann den Unterschied und das Übergewicht. Er weiß - was sie hierzulande nicht wissen oder nicht wissen wollen -, daß hinterm Berge auch noch Leute woh­nen. Und mitunter noch ganz andre". 13

Was ist der entscheidende Unterschied im Lebensgang des dem alten Stechlin so ähnlichen Grafen Barby? Vergleichen wir diese beiden Lebens­gänge, so fällt einem zuerst eine gewisse Ähnlichkeit auf: Dubslav - mär­kisch-herkömmlich, heißt es, und Graf Barbys Leben, so bunt es gewesen, war trotzdem auch nur durchschnittsmäßig verlaufen. Wir hören von Dubs- lavs Eintritt ins Regiment der Brandenburgischen Kürassiere, von seinem ,Dabeisein' in Schleswig 1864, aber ohne zur Aktion zu kommen, seinem Abschied und Rückzug auf Schloß Stechlin in derabgelegensten Nordost-