Heft 
(1967) 5
Seite
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ecke" der Graftschaft Ruppin. Es folgen Tod der Frau und Verlassenheit. Bei Graf Barby liegt allerdings alles von Anfang an auf einer etwas höheren Ebene - Magnat, Ritterakademie, das Eliteregiment Garde-du-Corps. Doch auch er quittierte früh den Militärdienst, zog sich aber nicht auf seine Güter zurück, vielmehr bedeutete der Übergang zum diplomatischen Dienst, der ihn nach London führte, eine Erweiterung seines Horizonts. Auch hier der frühe Tod der Frau, dem ein Umherirren im Süden folgte, und endlich Rückkehr nach Deutschland, das der Graf seit einem Vierteljahrhundert nur immer besuchsweise wiedergesehen hatte. Doch auch die Rückkehr bedeu­tete noch kein Sichzurückziehen auf die Güter, sondern Berlin wird als Wohnstätte gewählt, wo ihm trotz eines nur kleinen Freundeskreises der Zusammenhang mit der großen Welt geblieben ist.

Es ist Dublav selber, der immer wieder im Rückblick auf sein Leben den Mangel an Fühlung mit der großen Welt beklagt, erst im Gespräch mit Graf Barby (Kap. 35) und bei der Rückkehr von Woldemars Hochzeit in Berlin.Gleichviel, ob mit oder ohne Schuld", er war immer nur auf ein Pflichtteil gesetzt.Meine Weltfahrten, mit ganz schwachen Ausnahmen, lagen immer nur zwischen Berlin und Stechlin", bekennt er seinem Arzt, der auf dem Wege in die Schweiz und nach Italien ist.Ja, reisen und in den Krieg ziehen, da lernt man, da wird man anders" sagt er, nachdem er mit Erstaunen der stillen Armgards lebhafte Schilderung ihrer Hochzeitsreise gelesen.

Dieses Motiv desDraußengewesenseins" und der großen Welt tritt auch - doch mit ironischem Unterton - in Koselegers Unterhaltung mit Lorenzen auf, wenn er sehnsüchtig an seine Haager Tage zurückdenkt, von wo er die flämischen Städte mit ihren Kunstschätzen besucht und anstatt des Kühn- schen BilderbogensTürke links, Russe rechts" die großen Meister im Original gesehen. 14Wohl jedem, der draußen war und zu dem die Welt mal in andern Zungen redete!" Aus der Welt draußen nach Quaden- Hennersdorf versetzt zu werden mag Koseleger fürwahr an einer gerechten Weltordnung zweifeln lassen, mag sein Ehrgeiz eine auch noch so große Rolle spielen.

Quaden-Hennersdorf - Den Haag; Wutz und Windsor; Themse und Stech­lin; Wenn Fontane als Symbol für die große Welt draußen letzten Endes England wählt, so wissen wir, daß das eigene Erlebnis in seiner Gesamtheit dahinterliegt, und wenn H. H. Reuter 15 angesichts der Kapitel über Michel Protzen und Thormeyer (Civibus atevi futuri) feststellt, daß die Graf­schaft Ruppin zu einem autobiographischen Symbol wurde, so kann das mit demselben Recht von England behauptet werden. Die Gegenüberstellung dieser beiden autobiographischen Symbole im Stechlin-Roman erlangt dann tiefste Bedeutung.

Das eigentliche England-Motiv beginnt erst mit der zweiten Kapitelgruppe Nach dem Eierhäuschen", wo wir in die Welt und Lebensatmosphäre der

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