Sendung zu nehmen ist, zeigt sich in den sechs Seiten, die allein der Aufnahme dieser Nachricht in Stechlin gewidmet sind. Mit feinem Humor werden Engelkes und Lorenzens Reaktion gegenübergestellt, die beide in ihrer Weise - im Gegensatz zum ahnungslosen Vater - diese Auszeichnung als selbstverständlich und fast erwartet ansehen. „Und nun noch drei Tage, so stellt er sich mit seinem Oberst und seinem Major vor die Königin von England hin und sagt: „Hier bin ich!", sagt Dubslav, der es kaum fassen kann. - „Ja, gnäd'ger Herr, warum soll er nicht?" antwortet Engelke ganz einfach, wobei ihm die Auszeichnung für seinen jungen Herrn ebenso natürlich erscheinen mag wie die Vorstellung vor einer Königin: Diener ist Diener, und ob Herr von Stechlin oder Königin, so groß ist der Unterschied aus seiner Perspektive wohl nicht. - Lorenzen, aber, beschwört gleich den Namen Napoleons, - hatte dieser doch in Woldemars Alter schon zwischen Marengo und Austerlitz gestanden - und ihm mag eine große Zukunft für seinen Zögling vorschweben. Und langsam geht auch Dubslav die Bedeutung dieser Reise auf: Am Südufer seines Sees, auf einer von Buchen überdachten Steinbank, seinem Lieblingsplatz, überdenkt er sein eigenes so eintöniges Leben, „Altes und Neues" - das Neue, das mit Wol- demar begann, und es dämmerte ihm wohl, während er so dasaß und Figuren in den Sand malte, daß Woldemar mehr erreichen würde als er und überhaupt einen anderen Weg gehen würde und daß all das .dumme Zeug', das Neue, das der Junge von Lorenzen gelernt hat, vielleicht doch einen Wert haben möge (wie spielt Fontane hier mit dem Wort ,neu'), denn „nun fuhr er nach England 'rüber . . .".
Im Barbyschen Hause stößt die Nachricht natürlich auf das allerlebhafteste Interesse und nicht nur für Melusine, sondern auch für den Dichter ist die Einhake-Öse für das Thema England in liebenswürdig-leichter und geselliger Plauderei gegeben. Welche Fülle persönlicher Erlebnisse finden in den jetzt folgenden Kapiteln ihren Niederschlag, und schon am Ende des 21. Kapitels, im Kasino der Gardedragoner. Nur wer Fontanes eigene Erlebnisse dahinter erkennt, wird in dem oft bezuglosen Nebeneinander kleiner Anekdoten, Berichte und Eindrücke den Reiz ganz würdigen können. Diese England-Plaudereien geben uns einen Einblick in Fontanes Arbeitsweise. Zum Teil wörtlich, zum Teil in leichten Abwandlungen entstammen sie seinen frühen Aufsätzen besonders den Kapiteln in „Ein Sommer in London", auch späteren Zeitungsartikeln und dem Kapitel seiner ersten Englandreise in „Von Zwanzig bis Dreißig’ (das wiederum in vielem auf sein England-Tagebuch zurückgeht). Sie gehen alle auf wirkliche Erlebnisse zurück und spiegeln das wieder, was den jungen Englandfahrer freudig erregte: Der Londoner Omnibus, von dessen Höhe aus er die Weltstadt beobachtete, die Matrosenkneipen an der Themse, die stillen Squares, die Straßenraffaels, Windsor, Richmond-Hill und Tower, alles das zieht noch einmal an ihm vorbei. Und was ihm auch damals als das Wesentliche er-
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