Heft 
(1967) 5
Seite
187
Einzelbild herunterladen

wo wie bei Melusine und Lorenzen oder auch Melusine und Dubslav, welt­anschauliches oder menschliches Einverständnis herrscht. Doch ist es be­deutsam, daß die Worte, mit denen Lorenzen die neue Zeit charakterisiert, uns Worte Fontanes ins Gedächtnis zurückrufen, die er 1857 in England niedergeschrieben, das ihm früher als seine Heimat die neue Zeit zum Bewußtsein gebracht hatte. Mit folgenden Worten endet Lorenzen seinen Diskurs über die Geschichte, dem Melusine gespannt zuhört: »Aus der modernen Geschichte, der eigentlichen, der lesenswerten, verschwinden die Bataillen und die Bataillone (trotzdem sie sich beständig vermehren), und wenn sie nicht selbst verschwinden, so schwindet doch das Interesse daran. Und mit dem Interesse das Prestige. An ihre Stelle treten Erfinder und Entdecker, und James Watt und Siemens bedeuten uns mehr als du Guesclin und Bayard . . .". Ähnlich hatte der Waltham-Abbey Aufsatz von 1857 geendet:Wir traten unsren Rückweg an . . . Die beiden Lokomotiven lagen endlich schnaubend nebeneinander, die eine der ,Cromwell', die andere der James Watt'. Wir stiegen ein und glitten alsbald die Eisenlinie entlang. ,Waltham-Abbey' - ,Cromwell' - James Watt' - wiederholte ich mir langsam. Die englische Geschichte liegt zwischen diesen Namen. Hastingsfeld und Waltham-Abbey waren Tod und Begräbnis des alten Sachsentums, Cromwell war sein Rächer und mit dem dritten Namen kam unsere Zeit, die Zeit, die rastlos Verbindung und Vereinigung webt; - wird sie auch Einigkeit weben und Frieden und Glück?" 18 James Watts - Siemens: Inzwischen war auch in Deutschland die neue Zeit herangekom­men, und es sind Lorenzen und Melusine, die sie erkennen.

Es ist vielleicht bezeichnend, daß bei Behandlung des England-Motivs bis­her von Woldemar selber so wenig die Rede war, dessen Mission nach England die Mittelkapitel des Romans einnimmt. Aber gerade diese nega­tive Feststellung wirft ein gewisses Licht auf diese ebenso wie Armgard schwach und schemenhaft gezeichnete Gestalt. Aus den von Petersen ver­öffentlichten Vorarbeiten wird ersichtlich, daß die Gestalt Woldemars Fontane Schwierigkeiten bereitet zu haben schien und daß er sie zuerst anders konzipiert hatte. Wir kommen ihr aber näher, wenn wir nicht wie Petersen es getan, in dem England-Motiv Rudimente eines Bildungsromans sehen, sondern, wie schon betont, ein funktionelles symbolisches Motiv, das mit dem Hauptmotiv eng verflochten ist. England steht für Weltoffenheit, Weite des Horizonts im Gegensatz zur Enge und Eingemauertsein.

Was dem alten Stechlin versagt war, das steht dem jungen offen:Und nun fuhr er nach England 'rüber . . ." Was wird Woldemar aus dieser Eng­landreise machen? Wird er einen ähnlichen Weg gehen, wie ihn Graf Barby gegangen ist? Czako, wie wir wissen, sah ihn schon als Londoner Militär­attache vor sich. Welchen gewaltigen Eindruck wird er heimbringen von dieser wenn auch kurzen Englandreise. Wird Woldemar von demLeben drüben" in einem Tage mehr gewinnen als in des Jahres Einerlei hin-

( 8 ?