Heft 
(1967) 5
Seite
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Um das Jahr 1825 (so erzählt mir der Dekorationsmaler F. W. Siemering, der als Gehilfe Blechens beim Königstädter Theater angestellt war) wurde auf eben diesem Theater zum ersten Male die ,Weiße Dame' oder vielleicht auch eine andere Oper gegeben. Blechen hatte dazu einen braunen Saal gemalt, von dem er sich einen außerordentlichen Effekt versprach. Die be­rühmte Sängerin Henriette Sontag aber trat als seine Gegnerin auf und erklärte auf der Probe, daß sie sich auf einen blauen Saal berief, der sich in Wien vortrefflich ausgenommen habe. Blechen nahm den Tadel nicht stillschweigend hin und wurde von ihr ein ,einfältiger Mensch' genannt, welche Bemerkung er ihr, unter Erhebung ins Neutrum, einfach zurückgab." Der Streit endete mit einem Siege der Primadonna. Blechen mußte 1827 (Hägens Jahreszahl ist irrig!) seine Stellung aufgeben, was er in seinem Lebenslauf ausdrücklich mit denKabalen am Theater" begründet. Die Künstlerin, die später noch einen so großen Einfluß auf Hermann Fürst Pückler während dessen Kavalierstour in England spielen sollte, kreuzte nie wieder Blechens Lebensbahn.

Aber das Theater gewann für den Maler noch eine weitaus stärkere Be­deutung. Durch den Bühnenpförtner Boldt des Opernhauses, in dessen Konzertsaal damals die Dekorationen gemalt wurden, trat Blechen in nä­here Beziehungen zu dessen Tochter Henriette, die sechs Jahre älter war als er. Wie Professor Pape in einem undatierten Brief an Fontane bemerkt, war Henriettehäßlich, pockennarbig, aber sehr gut geartet." Als Blechen 1824 Henriette geheiratet hatte, übergab sie ihm ihre ganzen Erspar­nisse, die sie als Putzmacherin mühsam erworben hatte, um ihm die künstlerisch so bedeutungsvolle Reise nach Italien zu ermöglichen. Pape vermerkt dazu:Es scheint also, daß die Boldt ihm aus der ersten Pleite herausriß und es ihm ermöglichte, die Maler-Carriere einzuschlagen." Und weiter:Blechen hatte diese Ehe aus Dankbarkeit geschlossen, weil die Boldt viel für ihn getan hatte; dies Gefühl der Dankbarkeit, zu dem die Frau auch beständig neue Veranlassung bot, hat er ihr auch bewahrt bis zuletzt. Aber über dies Gefühl der Dankbarkeit hinaus konnte er es nicht bringen. Er fühlte zu tief, daß sie zu alt für ihn sei, dabei unschön und eine niedrigere Stellung in Bildung und Gesellschaftsform. Kinder im Hause hätten vielleicht geholfen, aber auch diese blieben aus, und so verfiel er mehr und mehr in einen Trübsinn. Auch die Schnapsflasche kam hinzu." Hier ist also die volle Tragödie in Blechens Leben offenbar geworden. Seine Schwermut hatte nach Papes begründeter Auffassung ihren Grund in dreierlei Ursachen: In dem Schmerz über die künstlerische Nichtanerken­nung; in dem Schmerz über beständig kleine und gedrückte Lebensver­hältnisse und in dem Schmerz über seine Ehe. Die Gerechtigkeit aber ge­bietet festzustellen, daß Henriette sich zeitlebens voll für ihren Mann ein­gesetzt hat, vor allem in der Zeit des beginnenden Trübsinns ab 1837 heroische Opfer brachte. Wer die den Blechen-Unterlagen beigegebenen

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