Heft 
(1967) 5
Seite
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Briefe Henriettes an Blechens Mentor Friedrich Sachse aufmerksam liest, wird nicht verstehen können, wie sie durch Bettina von Arnim in der Öffentlichkeit so häßlich verleumdet werden konnte.

Bettina, dieses gefühlvolle Kind ihrer Zeit, das selbst ihr Bruder Clemens Brentano alskrausestes Geschöpf" charakterisierte hörte von Blechens schlimmer Erkrankung und beschloß, ihm zu helfen. Sie sammelte in höchsten Kreisen für ihn und ließ eine italienische Landschaft, die sie von seiner Hand besaß, für 100 Louidors versteigern. Von diesem Betrag sollte Blechen reisen, um sich zu zerstreuen und sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Bettina bestimmte selbstherrlich einen Arzt Morelli und einen weiteren Unbekannten als Begleiter Blechens, was Frau Blechen, die genau wußte, wie empfindlich und reizbar ihr Mann war, glatt ablehnte. Es entstand - wie Fontane in einer Randbemerkung verzeichnet - ein regelrechter Frauenzank um die Einwirkung auf den kranken Blechen. Henriette mußte schließlich klein beigeben, da Bettina mit der Sperrung der Unterstützung durch die Akademie drohte.Nun reisten zwei junge Leute mit ihm, gingen nach Wien, sperrten ihn ein, verkneipten die 100 Louisdor und brachten ihn zurück" - so heißt es lakonisch in Fontanes An­sätzen zu der geplanten Blechen-Biographie. Dieses Eingreifen von Bettina im Juli 1838, spontan und unter Einbeziehung höchster Instanzen der Ge­sellschaft vollzogen, war zweifellos von der großen Philantropin gut ge­meint, erreichte aber das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung. Das ganze Elend, das Blechens letzte Jahre überschattete, offenbart ein Brief, den Henriette Blechen am 27. November 1838 an ihren einzigen Getreuen, den Kunsthändler Sachse schrieb. Es heißt dort:

Von Ihrer Teilnahme für meinen armen Mann überzeugt, bitte ich Sie herzlich, wenn nicht gerade ein so kalter Tag ist, uns durch Ihren Besuch zu erfreuen. Ich habe so viel mit Ihnen zu besprechen; so mutlos wie jetzt war ich noch nie. Wäre doch Frau von Arnim in Berlin, daß sie sich über­zeugen könnte, von welch traurigem Erfolg die Reise gewesen. Wie es noch werden soll, weiß der allgütige Gott. Sie beklagten mich vorigen Win­ter schon und doch beschäftigte sich Blechen damals noch mit Zeichnen, Lesen und Schreiben; wie viel trauriger ist es jetzt, wo er den ganzen Tag ohne die geringste Beschäftigung zubringt und mir auf alle meine Fragen nur selten eine Antwort gibt . . . Wenn Sie den Professor Tieck sprechen, bitte sagen Sie ihm doch, wie Blechens wirklicher Zustand ist. Es wird immer anders erzählt. Meine traurigen Ahnungen müssen leider immer in Erfüllung gehen; wie schwer entschloß ich mich, meinen Mann diese Reise machen zu lassen. Bei meinem großen Kummer danke ich Gott doch immer dafür, daß ich bei meinem ersten Entschluß geblieben bin, meinen Mann keinen fremden Händen anzuvertrauen. So lange ich Blechen kenne, habe ich meine Pflicht gegen ihn erfüllt und werd' es auch bis zu meinem Tode tun. Fort von mir geb' ich ihn unter keiner Bedingung, auch wenn es mir

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