Opfer aller Lebensverhältnisse und -güter verlangen kann“ 19 , da erwiderte ihm Fontane mit dem schlichten Hinweis auf die zehntausend Freiwilligen, die im Jahre 1813 allein die Stadt Berlin gestellt habe. 20 Doch diese politischen Differenzen waren auch nicht die tiefere Ursache für die Entfremdung der beiden Dichter. Mit größter Zurückhaltung' und erstaunlicher Toleranz hat Storm in den fünfziger Jahren die von Fontane an seinen politischen Anschauungen geübte Kritik hingenommen. So schrieb er ihm im Juni 1853: „Wollen Sie vor allen Dingen einige Nachsicht mit mir haben, wo es sich um Dinge der Politik handelt, über welche ich nur dem Gefühle nach mitsprechen kann .. ,“ 21 Und ohne Protest hat er dem Redakteur der „Argo“ den Epilog zu der Novelle „Ein grünes Blatt“ preisgegeben, weil Fontane die Befürchtung geäußert hatte, man werde es ihm sehr verübeln, wenn er etwas druckte, „was nach der einigen unteilbaren Republik schmeckt“ 22 . Erst viel später, als sich Preußen anschickte, Schleswig-Holstein zu annektieren, traten die politischen Meinungsverschiedenheiten mit aller Schärfe hervor. Entrüstet wies Storm Ende 1864 Fontanes Ansinnen zurück, eine Siegeshymne zu dichten, und heftig kritisierte er dessen „Einzugslied“, das die Rückkehr der preußischen Truppen nach Berlin feiert. „Ihr Einzugslied“, so heißt es in einem Brief Storms an Fontane vom 19. Dezember des Jahres, „ist so außerordentlich gut, daß ich gründlich dazu gratulieren muß, obgleich der Zipfel der verfluchten Kreuzzeitung aus jeder Strophe heraushängt. Möchten Sie der letzte Poet jener doch Gott sei Dank und trotz alledem dem Tode verfallenen Zeit sein, worin die Tat des Volkes erst durch das Kopfnicken eines Königs Weihe und Bedeutung erhält. Ihr ... meisterliches Lied feiert lediglich die militärische Bravour, wodurch der Beifall des Königs oder Königtums erworben ist, von einem sittlichen Gehalt der Tat weiß es nichts, sie hat auch diesmal keinen.“ 23
Als Storm vier Jahre später nach Rezensenten für die ersten Bände seiner Gesamtausgabe Ausschau hielt, bezeichnete er, in einem Brief an den Verleger Westermann, Fontane als „kaum geeignet“, da er politisch fast sein Gegner sei. 24 Das hinderte ihn jedoch nicht, drei Monate später Fontane selbst um eine solche Rezension zu bitten, und zwar in der Kreuzzeitung, dem Organ der preußischen Konservativen. „Die Verschiedenheit unserer Lebensanschauung“, meinte er, „braucht ja dabei nicht verleugnet zu werden“. 25 Fohtane hat damals Storms Wunsch nicht erfüllt; erst die folgenden Bände der Ausgabe hat er 1877 in der Vossischen Zeitung angezeigt. 20
Politische Meinungsverschiedenheiten konnten zwar vorübergehend das Verhältnis Storms zu Fontane trüben; jedoch die Scheidewand, die, wie Fontane einmal sagte, zwischen ihnen stand, trennte weniger die politischen als die ästhetischen Domänen. Das mag nach all dem bisher Gesagten überraschen. Doch schon in Fontanes Storm-Aufsatz von 1853 stehen
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