Sätze, die neben allem Lob, das sie enthalten, auch eine prinzipielle Kritik implizieren: „Seine Stoffe gehören einem bestimmten und ziemlich engbegrenzten Kreise an. Von Geschichten hält er mehr als von der Geschichte. Alles, was zu Roß oder zu Schiffe steigt, was Schlachten schlägt oder Meere durchfurcht, was intrigiert wie Jago oder mordet wie Macbeth — alles, was der Überlieferung, sagenhafter oder historischer, angehört, kümmert ihn wenig; sein Wesen ist rein lyrischer Natur, und er vergreift sich selten an dem, was die Ruhe und Objektivität eines epischen Talents erheischen würde.“ 27 Hier zeigt sich deutlich, daß Storms poetische Konzeption, so stark sie Fontane beeindruckt hat, dem Balladendichter sowenig genügen konnte wie dem künftigen Erzähler und Romancier. Im Februar 1854 setzte er dann auch in einem autobiographischen Bekenntnisbrief Storm seine eigenen Intentionen auseinander. „Von Kindesbeinen an“ habe er, Fontane, „eine ausgeprägte Vorliebe für die Historie“ gehabt. „Nur so wie ich die Geschichte als Basis habe, gebiete ich über Kräfte, die mir sonst fremd sind .. .“■ 28 Zwar hatte Fontane in seinem ersten literaturkritischen Aufsatz aus dem Jahre 1853 — „Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848“ — „das Größte wie das Kleinste“ als Gegenstand der realistischen Dichtung anerkannt, „den Kolumbus, der der Welt eine neue zum Geschenk machte, und das Wassertierchen, dessen Weltall der Tropfen ist“ 29 — für seine eigene dichterische Produktion neigte er jedoch weit stärker zum erhabenen als zum idyllischen Stoff. In seinen frühen Balladen, deren Themen und Figuren der — freilich stark idealisierten — preußischen Vergangenheit oder der englischen und schottischen Geschichte entnommen sind, glaubte Fontane die „großen Gegenstände“ gefunden zu haben, die er in der preußisch-deutschen Gegenwart der nachrevolutionären Epoche vergeblich suchte.
Solange Fontanes dichterische Intentionen im wesentlichen auf das Balla- deske beschränkt blieben, konnte er Storms poetisches Prinzip neben seinem eigenen gelten lassen. Als lyrischer Dichter ist er, trotz seiner zahlreichen Gelegenheitsgedichte, niemals ernsthaft mit Storm in Wettbewerb getreten. Sobald Fontane jedoch auch als Erzähler hervortrat, zeigen sich die Gegensätze der ästhetischen Anschauungen ebenso deutlich wie die Unterschiede im künstlerischen Schaffen selbst. Am Beispiel seiner historischen Erzählung „Ellernklipp“ hat Fontane einmal auf diese Unterschiede der Erzählweise und der Erzählhaltung hingewiesen, auf jenen Gegensatz, der sich — mit einer etwas vereinfachenden Formel — durch das Begriffspaar episch und lyrisch verdeutlichen läßt. „Storm“, schrieb Fontane im Februar 1882 an einen Rezensenten der „Ellernklipp“-Erzählung, „Storm (den ich übrigens sehr hoch stelle) ... deutet in ,Eekenhof‘,
,Renate“, ,Aquis submersus“ nur an, und will nur andeuten, mein Heidereiter aber erhebt die Prätension, ein so faßbarer Kerl zu sein, wie nur je einer über die Heide gegangen ist.“- 10
258