Heft 
(1968) 6
Seite
273
Einzelbild herunterladen

raktere sein Liebling war, ja daß er überhaupt Lieblinge hat. Subjektive­res und daher dem Prinzip Spielhagens Widersprechenderes hätte er kaum schreiben können! Obwohl die weiteren Sätze dann auch verändert worden sind, bleibt durch die neue Formulierung hindurch wenigstens das Verhältnis zwischen dem Erzähler und seinem Publikum intakt: die­ser scheint noch gewissermaßen um die Gunst seiner Leser besorgt zu sein, verspricht ihnen also einigen Gewinn, wenn sie ihm folgen (es ist eine Gutthat, die uns belohnt und wir hören noch dies und das).

Bevor die Stelle in den Roman eingehen konnte, mußte sie noch zwei weitere Versionen durchmachen. Diese befinden sich übereinander ge­schrieben auf dem gleichen Manuskriptblatt (Schlußkap., Bl. 1). Obwohl die Endfassung aus beiden zusammengesetzt wurde, geben wir sie hier getrennt wieder:

Erzählungen schließen mit Verlobung oder Hochzeit; aber um Rena­tens willen, die mein Liebling war, hob ich den Vorhang und sah in eine Zukunft, die nun freilich schon lange wieder Vergangenheit geworden.

So die erstere, die ganz deutlich aus der zuletzt zitierten Fassung hervor­geht und Persönliches von dem Erzähler beibehält. Außerdem kommt aber ein weiterer Satz hinzu, dem vielleicht der schon oben erwähnte Begriff des Erzählers als Puppenspieler unterliegt (hob ich den Vor­hang). Die zweite dieser Versionen lautet dann:

(Erzählungen schließen) wenn sich die Liebenden, nach Kämpfen und Gefahren siegreich und glücklich die Hände reichen. Das ist die Regel. Aber ein Tagebuch ... usw. 24

Und nun zitieren wir den betreffenden Paragraphen aus dem gedruckten Roman, damit wir sehen können, was schließlich aus allen diesen Korrek­turen und Überarbeitungen geworden ist:

Erzählungen schließen mit Verlobung oder Hochzeit. Aber ein Tage­buch, das sich bis auf diesen Tag im Hohen-Vietzer Herrenhause vorfindet und als ein teures Vermächtnis daselbst gehütet wird, gönnt uns noch einen Blick in die weitere Zukunft. Es sind Blätter von Renatens Hand, und aus ihnen ist es, daß ich das Folgende­entnehme. 25

Wir lassen hier die Länge der verschiedenen Stellen beiseite, weil es sich einmal um einen bloßen Umriß handelt, und weil auch sonst die Stellen nicht den gleichen Inhalt haben. Statt dessen richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Vortragsweise, besonders darauf, ob und wie der Erzähler in Person hervortritt. Die Buchfassung spricht zwar in dem letzten Satz von einemuns und einemich; trotzdem spürt man aber wenig Intimes oder Persönliches an dieser Partie. Wenn man dasuns

273