einfach wegließe, wäre am Ton wenigstens kaum eine Änderung zu bemerken. Sowohl die sorgsame Rücksicht des Erzählers auf den (hoffentlich) „freundlichen Leser“ in der „Nachschrift“, wie auch die beabsichtigte Aufmunterung der Leserschaft durch Versprechen in der dritten Fassung sind nun verschwunden. Ähnliches gilt auch von dem „ich“ des Schriftstellers, dessen persönliche Vorlieben in der dritten und vierten Fassung besonders auffielen, ja sogar der Anlaß zu den Tagebuchauszügen waren. Dabei ist auch zu betonen, daß Fontane nicht etwa aufgehört hat, Renate vor allen anderen liebzuhaben (ein Brief vom 30. Januar 1879 an Wilhelm Hertz spricht noch immer von ihr als des Dichters Liebling);'-® lediglich das offene Bekenntnis dieser Vorliebe im Rahmen des Romans hat ihm nicht mehr gefallen. Zusammenfassend darf man also sagen, daß von allen möglichen Abschlüssen, die ihm zu verschiedenen Zeiten vorgeschwebt haben, Fontane die sachlichste gewählt hat und damit das Hervortreten des Erzählers stark eingeschränkt hat.
Es gibt natürlich auch andere Stellen im Manuskript von Vor dem, Sturm (Reflexionen, Hinweise auf ein den Erzähler und den Leser umfassendes ..wir“, usw.), die auf das Hervortreten des Schriftstellers Bezug haben und mit denen auch Veränderungen vorgenommen worden sind. Sie sind aber nirgends so auffallend oder gar so interessant wie die oben zitierten Beispiele. Außerdem zeigen sie keine eindeutige Tendenz: es wird einmal eine Reflexion etwas ausgeweitet, dann aber etwa ein „uns“ weggelassen, so daß ein Mehr an persönlicher Teilnahme des Erzählers bald wieder an anderer Stelle durch ein Weniger ausgeglichen wird. Dagegen haben wir in allen Beispielen aus dem ersten Roman, die uns als die bemerkenswertesten bisher beschäftigt haben, eine allgemeine Tendenz beobachten können. Der Dichter hat nämlich sowohl die Persönlichkeit des Erzählers als auch dessen vertraulichen Kontakt mit dem Leser sehr reduziert, obwohl er wenigstens erstere in keinem Falle ganz ausgeschaltet hat.
Wie läßt sich das nun mit dem zuerst zitierten Brief an Wilhelm Hertz vereinbaren, in dem Fontane das Mitsprechen des Erzählers, das Vorspringen des Puppenspielers in Person beinahe leidenschaftlich verfocht? Man wird mindestens zugeben müssen, daß das Prinzip, das er dort verteidigt, kein absolutes für ihn ist, daß man es seines Erachtens darin zu weit treiben kann; wollen doch die Korrekturen und Veränderungen, die wir oben betrachtet haben, eben diese Übertreibung vermeiden. Ja, wenn man gleich nicht von einer Bestätigung der Theorie Spielhagens reden kann, so darf man vielleicht diesen Teil von Fontanes wohlbekanntem „Feilen“ für eine Art Annäherung daran halten. Auch dürfte es jetzt wenig wundernehmen, daß seine Praxis in den darauffolgenden Werken so anders scheint. Prinzipiell ist sie noch dieselbe: der Erzähler ist nicht verschwunden; seine Teilnahme ist bloß wieder — und noch stärker als bisher — eingeschränkt worden. Daß diese Einschränkung unter dem Ein-
274 ,