das Hineinreden beginnt. Der Schriftsteller muß doch auch, als er, eine Menge tun und sagen. Sonst geht es eben nicht oder wird Künstelei. Nur des Urteilens, des Predigens, des klug und weise Seins muß er sich enthalten. 2 "
„Allerdings wird es mitunter schwer festzustellen sein, wo das Hinein- r'eden beginnt.“ Schon von dem „allerdings“ an ein typisch fontanischer Satz! Der Dichter bekämpft auch hier wieder eine Verabsolutierung des Problems, will aber durchaus nicht dogmatisch sein. So hat denn seine Aussage eher den Anschein einer Fragestellung: Wo beginnt das Hineinreden des Schriftstellers? Nun, gewiß nicht erst beim Urteilen oder Predigen. Den Erzähler spürt man eigentlich schon dort, wo jemand da ist, der „er“ sagt, d. h. den Charakteren gegenübersteht. (Und faßt man die Sache so auf, so darf man übrigens selbst bei Spielhagen vom Hineinreden des Erzählers sprechen!) Außerdem hat der Erzähler seine Leserschaft ständig vor sich, auch wenn er sie nicht direkt anredet.
Schon bei diesem Vortrage [dem einfachen Berichte], soweit er lebendig und ursprünglich ist, findet ja eine stete Wechselwirkung zwischen dem Redner und seinen Hörern statt. Jeder gute Vortragende entnimmt den besten Teil der Form seiner Bede sozusagen aus den Augen seiner Zuhörer; er wirbt um sie, setzt sich mit ihnen auseinander, bekämpft ein aufzuckendes Mißtrauen, einen lauernden Widerspruch usw . 30
Die Wechselwirkung, von der hier die Rede ist, entsteht aber nicht nur beim gesprochenen oder gesungenen Vortrag, wo die Zuhörer leibhaftig um den Epiker versammelt sind, sondern auch in der Werkstatt des modernen Schriftstellers, der seine Leser im geistigen Auge behält . 31 Sie drückt sich auch in seinem Vortrag aus, ja bestimmt ihn geradezu. Es ist daher vor allem die Auswirkung dieses Wechselbezuges, die wir jetzt durch die Veränderungen der Manuskripte hindurch bei Fontane nach- weisen wollen. Es wird sich im allgemeinen um kleinere Einzelheiten handeln, wie z. B. kurze Hinweise auf ein den Erzähler und den Leser umfassendes „wir“ oder besonders jene scheinbar entbehrlichen Wörtchen (Adverbien oder adverbiale Ausdrücke wie „ja“, „eigentlich“, „wenigstens“, „freilich“, „allerdings“, „in der Tat“ usw.), die jedoch bei Fontane eine so wichtige Rolle spielen. Mit diesen Partikeln „wirbt er um seine Leser“, „setzt sich mit ihnen auseinander“, „bekämpft ihr Mißtrauen, ihren Widerspruch“, um mit Robert Petsch zu sprechen. Man braucht sie nur explizite umzuschreiben, um diesen Prozeß besser beobachten zu können. So etwa: „ich muß Ihnen gestehen“ (allerdings, freilich); „wie ich Ihnen nicht erst zu sagen brauche“ (natürlich, selbstverständlich); „falls Sie es bezweifeln sollen“ (wirklich); „oder wenn das zu viel für Sie ist“ (wenigstens) ; usw.
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