in aller Munde. „Eben haben wir eine Stelle passiert, die solche ,Geschichte“ hat und noch vom neuesten Datum dazu. Hier, wo das Unterholz sich durch die Waldrinne zieht, gleich links neben der Weißbuche, da lag er, da fanden sie ihn, den Kopf nach der Tiefe zu, den einen Fuß im Gestrüpp verwickelt und neben ihm die Büchse. Der grüne Aufschlag des einen Ärmels war rot und man sah deutlich, er war mit der Rechten nach der Brust gefahren. Wessen Kugel hatte ihn getroffen?“ Bei dem erschossenen Forstmann handelte es sich um den jungen Hilfsförster Ewald Joppich. Er war am Morgen des 6. Mai 1872 zu einem Pirschgang in den Wald aufgebrochen. Als er am nächsten Tage noch nicht zurück war, erstattete seine Wirtin Anzeige bei der Oberförsterei. Nach längerem Suchen fand man ihn tot auf der Halbinsel im Nehmitzsee, die seitdem „Joppichs-Werder“ genannt wird. An der Mordstelle errichteten seine Berufskollegen einen schlichten Gedenkstein, dessen Vorderseite die Inschrift trägt:
Am 6. Mai 1872 wurde hier der Hülfsjäger E. Joppich durch ruchlose Hand erschossen
Die Mordtat ist nie aufgeklärt worden. Einige verdächtige Personen wurden zwar in Haft genommen, doch konnte man ihnen nichts beweisen, und sie mußten wieder freigelassen werden. Eine noch heute kursierende Volksüberlieferung freilich weiß zu berichten, der Oberförster selbst sei der Täter gewesen. Beide wären in die hübsche Försterstochter im Forsthaus Stechlin verliebt gewesen, und der Oberförster habe den jungen Jägerburschen aus Eifersucht erschossen. Auf seinem Sterbebett habe der Oberförster dann sehr viel später seine Tat gebeichtet. Die ganze Sache klingt freilich recht unwahrscheinlich, denn der betreffende Oberförster war damals schon ein recht betagter Herr Aber wie dem auch sei, „wo der Pascher ein Jahrhundert lang zu Hause war, wo Förster und Wildschütz ihre nicht endende Fehde führten, wo der Sturm die Bäume bricht und die tiefen Waldseen, die sich von uralter Zeit her einen Hang nach Menschenopfern bewahrt haben, ihre Polypen-Arme phantastisch ausstrecken, da sind immer .Geschichten“ zu Haus.“ (Fontane).
Und das gilt sogar noch in unserer heutigen Zeit des Radios und des Fernsehens. Viele solcher „Geschichten“ aus unserer Zeit hat der unweit des Stechlin lebende und schaffende Schriftsteller Erwin Strittmatter in seinen in Dollgow und Menz spielenden Roman „Oie Bienkopp“ einfließen lassen und somit die Fontanesche Tradition in neuer Form fortgesetzt.
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