GOTTHARD ERLER (BERLIN)
Die Dominik-Ausgabe
Eine notwendige Anmerkung
Theodor Fontane war ein passionierter Stilist, und seine literarischen Texte mußten wieder und wieder „unter die Feile“, bis er sie für druckreif hielt. Er pflegte seine Romane im ersten Entwurf in wenigen Wochen niederzuschreiben, und dann erst putzte er ihnen, wie er gern sagte, „den Stil an“. Seine Briefe geben beredtes Zeugnis von der Mühsal dieses „Pusselns und Basteins“, das ihn monatelang an den Schreibtisch bannte und ihn oft völlig erschöpfte. Mit der gleichen Sorgfalt las er die Fahnenkorrektur, und er sprach in seinem Brief an Wilhelm Hertz vom 11. Dezember 1885 geradezu von seiner „vielleicht kindischen Peniblität in Drucksachen“. „Dreiviertel meiner ganzen literarischen Tätigkeit“, fügte er hinzu, „ist überhaupt Korrigieren und Feilen gewesen... Hätte ich die Kunst des ,Festhinsetzens‘ zu üben verstanden, so hätte ich vielleicht auch eine Stube mit Atlastapeten, die ich übrigens nicht sehr entbehre.“
Der Dichter hat diese Akribie der Formulierung, diese stilistische Exaktheit „bis zum Peinlichen und meinetwegen Kleinlichen“ (an Wilhelm Hertz am 3. September 1863) gegenüber Redakteuren, Druckern und Verlegern stets mit Nachdruck verteidigt. Und doch sind gerade die Texte seiner Romane in erschreckendem Maße „verwittert“, und kaum einer der bisherigen Fontane-Herausgeber hat jene „Peniblität in Drucksachen“ als editorische Verpflichtung empfunden.
Dieses Dilemma der Fontane-Philologie beginnt bereits bei der ersten zusammenfassenden Ausgabe, die 1890/91 unter dem Titel „Theodor Fontanes Gesammelte Romane und Novellen“ in zwölf Bänden erschien und die nach ihrem ersten Verleger als Dominik-Ausgabe bezeichnet wird. (Die Verlagsangaben wechseln: Band 1—7 Deutsches Verlagshaus [Emil Dominik], Band 8 und 9 Emil Dominik vorm. Deutsches Verlagshaus, Band 10 und 11 F. Fontane, Band 12 F. Fontane & Co.) In diese Ausgabe haben sich außerordentlich zahlreiche Fehler eingeschlichen, die durchweg als Versehen des Setzers zu betrachten sind. Daß auch die nicht unmittelbar sinnentstellenden Abweichungen des Dominik-Textes von den Buchausgaben nicht auf Fontane zurückgehen, zeigt ein Textvergleich bei „Vor dem Sturm“: die 1896 und 1898 bei Hertz erschienenen Exemplare der zweiten und dritten Auflage (die übrigens nicht, wie vielfach angenommen wird, gekürzt sind!) sind nach der Erstausgabe von 1878 und nicht nach der Dominik-Ausgabe gesetzt worden.
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