Buchbesprechungen
Fontanes Briefe in zwei Bänden
(Ausgewählt und erläutert von Gotthard Erler). Bd. 1.2. — Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1968 (Bibliothek Deutscher Klassiker).
Ohne Zweifel gehört Fontane zu denjenigen deutschen Dichtern, von denen man mit vollem Recht sagen kann, daß ihre künstlerische Größe und Eigenart ebensosehr in ihren Briefen wie in ihren Werken zum Ausdruck kommen. Denn Fontanes Briefe bleiben nicht einfach Dokumente zur Geschichte seines Lebens und Schaffens sowie seiner Zeit und Umwelt, sondern der Dichter hat viele seiner Briefe mehr oder minder bewußt zu kleinen Kunstwerken ausreifen lassen. Und das heißt, daß sie — entsprechend den Möglichkeiten, die das literarische Genre des Briefes bietet — in Form und Gehalt vollendet sind. In solchen Briefen, zumal des alten Fontane, kleidet sich die Lebensweisheit, die aus seinen besten Romanen spricht, in das Gewand jener pointierten, bündigen Sprache, durch die sich Fontanes Balladen und seine bedeutendsten Erzählungen auszeichnen. Zugleich aber sorgt der Plauderton dafür, daß der ephemere Charakter des Briefes nicht ganz vergessen wird, während die Offenheit des persönlichen Bekenntnisses, besonders wenn Fontane auf soziale, politische und zeitgeschichtliche Fragen eingeht, die Intimität der brieflichen Mitteilung deutlich genug bezeugt.
Nun hat aber gerade die Rückhaltlosigkeit, mit der sich Fontane gegenüber seinen Briefpartnern äußert und auf der nicht zuletzt Wert und Reiz seiner Briefe beruhen, frühere Herausgeber veranlaßt, den Text in einer oft unverantwortlichen Weise zu beschneiden oder gar zu verändern. Darauf hat Hans-Heinrich Reuter 1961 in einem Aufsatz in den „Weimarer Beiträgen“ als erster aufmerksam gemacht. Gotthard Erler, der Herausgeber der vorliegenden zweibändigen Auswahl, die eine Ergänzung zu der von H.-H. Reuter besorgten fünfbändigen Werkausgabe (Berlin und Weimar 1964) bildet, sah sich daher genötigt, die Briefe nicht einfach aus früheren Veröffentlichungen zu übernehmen, vielmehr auf die Handschriften bzw. auf Abschriften zurückzugreifen, soweit sie noch vorhanden sind. Das Ergebnis dieser gewiß mühevollen Arbeit ist eine repräsentative, alles Wesentliche berücksichtigende Auswahl von etwa 450 Briefen aus den Jahren 1842 bis 1898, die nicht nur Glanz und Reichtum Fontanescher Briefkunst erschließt und dabei dem Lebensweg und dem in sich so widerspruchsvollen Denken und Schaffen des Dichters folgt, sondern darüber hinaus zum ersten Male den authentischen Text bietet. Wir können die Briefe nun so lesen, wie Fontane sie wirklich
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