Heft 
(1969) 8
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FRIDO MEtSK (BAUTZEN)

Das Oderland in Fontanes Wendenkonzeption '

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Die Stellung des Dichters zur Wendenfrage war schon wiederholt Gegen­stand neuerer Fontaneforschungen 1 , bildet doch diese Stellung eines der Elemente seines zutiefst mit der märkischen Landschaft verbundenen literarischen Schaffens. Wesentliches hat insbesondere H.-H. Reuter zu einer systematischen Gesamtschau vereinigt 2 , die nicht allein Fontanes durch die Übernahme in den BandOst-Havelland derWanderungen weithin bekanntgewordenen AufsatzDie Wenden in der Mark 3 berück­sichtigt, sondern auch diesbezügliche Äußerungen aus dem RomanVor dem Sturm heranzieht und zugleich das Wendenproblem in die Fonta- nesche Rezeption deutsch-slawischer Wechselseitigkeit 4 einordnet. Wenn wir von den Maßstäben der ethisch-moralischen Wertung absehen, welche die märkischen Slawen mit Nachdruck gegen nur allzu tief verwurzelte Traditionen der Pamphletisierung verteidigt und ihre auf allen Gebieten vielfältig unter Beweis gestellte Ebenbürtigkeit mit den Deutschen unter­streicht 5 , so sind es nach Reuter vor allem zwei literarisch variierte Feststellungen Fontanes, die unser Interesse verdienen. Man kann sie etwa wie folgt präzisieren:

1. Die archäologisch und historisch belegbare Slawenzeit des Mittelalters ist für Brandenburg-Preußen keineswegs jene unwesentliche Episode, die man mit einer Randbemerkung übergehen kann, sondern sie stellt sich als das entscheidende und folgenträchtige Moment in der Ent­wicklung des Landes dar 6 .

2.Die Wenden verschwanden nicht, ... sie blieben vielmehr alle oder doch sehr Überwiegendenteils im Lande 7 .

In dieser Zweiheit sieht Fontane das große und kontinuierliche geschichts­bildende Gewicht des brandenburgischen Slawentums und die unvermin­derte Aktualität der Wendenfrage auch noch zu einer Zeit, nachdem der lang anhaltende Prozeß des Aufgehens der brandenburgischen Bevölke­rung slawischer Herkunft in die deutsche Nation sprachlich und faktisch seinen Abschluß gefunden hat.

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So gesehen hat Fontanes Aussage und mit ihr der Gegenstand, den sie

betrifft, bis heute nichts an Aktualität verloren. Wie zu seiner Zeit, so

wird auch gegenwärtig die gleiche Grundfrage immer wieder neu gestellt

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