Tietzes Überzeugung von der völligen Bedeutungslosigkeit des wendischen Elements für die Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte sogar des Oderbruchs, in dem doch Fontane eines der typischen, in ihrer Substanz bis Mitte des 18. Jahrhunderts völlig unangetasteten ethnischen Reliktgebiete Brandenburgs sah 19 , geht soweit, daß er gerade noch die Eingliederung der ehemals „slawischen Fischer“ in die spätere soziale Gruppe der Kossäten annimmt 20 , im übrigen aber von der „angeblichen Wendenzeit“ 21 spricht. In seiner Abwertung des Wendischen geht Tietze auch wesentlich weiter als H. J. Kramm, der Verfasser der jüngsten siedlungsgeographischen Darstellung des Bezirkes Frankfurt (Oder) 22 . Kramm sprach in seinem Untersuchungsgebiet, das er unter der Bezeichnung „Neue Lande“ zusammenfaßte, lediglich von einer starken Zurückdrängung des Slawentums bis 1375 23 . Dennoch entsteht bei der Lektüre seiner Ausführungen, die recht breit die germanische Vorzeit behandeln und zum andern die hochmittelalterlichen Siedlungsvorgänge ausschließlich als Ansetzung deutscher Kolonisten darstellen 24 , für das slawische Altertum aber den Mangel an Ausgrabungen und Funden 26 sowie die geringe Siedlungsdichte hervorheben 26 , im Endergebnis ein ähnlicher Eindruck wie bei Tietze; zumal Kramm die neuere toponomastische Forschung, welche durch die wissenschaftliche Aufbereitung des Namengutes einer „Landschaft Wesentliches zur Erhaltung siedlungsgeschichtlicher Vorgänge beitragen kann, als Modeerscheinung abtut 27 .
Um Fragen vor allem der Archäologie und der Namen ging es dann auch in der Diskussion, die sich um E. Tietzes Beitrag im gleichen Heft der Fontane-Blätter entfachte. Den unbefriedigenden Forschungsstand charakterisierte die Warnung K. Grebes 28 , aus einem Ortsnamen allein ohne gleichzeitige Scherbenfunde Rückschlüsse auf Gründungszeit und ethnische Zusammensetzung der Gründer zu ziehen. Im Gegensatz zu Tietze, der „Dörfer mit deutschen Namen als deutsche Gründungen“ interpretiert 29 , formuliert Grebe sehr vorsichtig „deutschzeitliche Entstehung“. Er unterstreicht die Möglichkeit, daß wendische Dörfer (auch solche mit slawischen Namen) „erst in deutscher Zeit entstanden sind, obwohl sie slawische Bewohner besitzen“ 30 .
Auch ich habe an der gleichen Stelle und auf Bitten der Redaktion der Fontane-Blätter bereits damals einige Bedenken gegen die Fontanekritik E. Tietzes angemeldet und im einzelnen sechs Argumente seiner Beweisführung mehr oder weniger entkräften können 31 . Allerdings erschöpfte sich meine Diskussion ebenso wie die von Grebe im Aufzeigen der sachlichen und methodischen Mängel der kritischen Stellungnahme Tietzes, vermochte aber nicht, Fontanes Angaben zur Wendenfrage durch positive Argumente und Quellenbelege zu stützen.
Es dürfte klar sein, daß siedlungskundliche Fragen allein durch Diskus-
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