Heft 
(1969) 8
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1908 hat Joseph Ettlinger in den Nachlaßband Fontanes 7 erstmals den betreffenden Spruch aufgeommen. Die Verse entsprechen denen, die Thomas Mann zitiert, denn eben diesem Nachlaßband hat er den Spruch entnommen. Pniower berichtet in seinem späteren Aufsatz, daß ein mit Maschinenschrift versehenes Folioblatt, wie ihm Friedrich Fontane schreibt, aus der Druckvorlage für die Ettlingersche Ausgabe stammt 8 . Das Blatt wurde nach der Abschrift Friedrich Fontanes hergestellt 9 , die nach dem Originalmanuskript aus dem Nachlaß des Dichters gemacht worden war. Sie ist in diesem Falle die einzig vorhandene Abschrift und überliefert die für uns ursprüngliche Textfassung. Der Spruch in dieser Abschrift, die ich im Fontane-Archiv sehen konnte, lautet aber ganz zweifelsfrei so:

Leben; wohl dem, dem es spendet Freude, Kinder, täglich Brot,

Doch das Beste, was es sendet,

Ist das Wissen, daß es endet,

Ist der Ausgang, ist der Tod.

Wie ist nun denn die Änderung des vierten Verses im Nachlaßband zu erklären? Dazu äußert Pniower zuerst in seinem früheren Aufsatz:Ent­weder der Abschreiber des Originals oder der Setzer irrte von der vierten Zeile zur dritten ab und wiederholte ihre beiden letzten Worte 10 . Da­gegen meint Thomas Mann:Kein Schreiber und Setzer «-irrte aus der vierten Zeile in die dritte ab und wiederholte ihre beiden letzten Wörter«, um dann auch noch, als geistreicher Mann, aus dem »Daß« ein »Das« zu machen 11 . Dabei setzt er voraus, daß der Dichter so schrieb, wie es im Nachlaßband steht. Später hat Pniower die oben genannten Abschrif­ten eingesehen. Daraus schließt er, daß die LesartIst das Wissen, das es sendet erst beim Setzen irrtümlich entstanden sei 12 . Er meint also, Ettlinger benutzte bestimmt die Abschrift Friedrich Fontanes als Text­vorlage. Es ist aber noch eine Vermutung möglich, daß sich Ettlinger doch beim Korrekturlesen darüber den Kopf zerbrochen habe, wie man die drei letzten Verse auslegen soll, und zu dem Schluß gelangt sei, daß der vierte Vers so heißen müßte:Ist das Wissen, das es sendet. Eine Begründung, warum er dabei den handschriftlichen Vers so umgestaltet hat, gibt er nicht. Eine mögliche, bei Ettlinger jedoch fehlende Begrün­dung für seine Textumänderung kann man in der feinsinnigen Auslegung erblicken, die uns Thomas Mann wiederholt bietet: erstens in seinem AufsatzDer alte Fontane, zweitens in dem betreffenden Brief vom 8. X. 1910 und drittens in seiner Entgegnung (gegen Pniower)Der geret­tete Fontane. (Die gleiche Deutung des Spruches kann man auch in Friedrich Zillmanns SchriftTheodor Fontane als Dichter 13 finden.)

Im Jahre 1910 hat Thomas Mann erstmals die Absicht gehegt, einen Fontane-Essay zu schreiben, nachdem er mit großem Entzücken die zwei

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