„Ich möchte die »Zukunft« mit dem »Fontane« gern wiederhaben. Ich besitze kein anderes Exemplar und werde dieses spätestens für die von Ihnen angeordnete Sammlung notwendig brauchen“ 19 .
In dem „Fontane-Buch“ 20 , das 1919 zum Gedächtnis des hundertsten Geburtstages des Dichters herausgegeben wurde, ist der Aufsatz Thomas Manns „Der alte Fontane“ erstmals in Buchform veröffentlicht worden. Danach sollen manche Briefe von Lesern an Thomas Mann geschickt worden sein, die ihm versicherten, er (Mann) „hätte falsch zitiert, so könne es nicht heißen, das sei ja Unsinn, und außerdem sei das doppelte »sendet« sehr häßlich; ganz zweifellos müßten die Verse lauten: Doch das Beste, was es sendet, Ist das Wissen, daß es endet“ 21 . Er läßt sich durch abweichende Meinungen der Leser nicht beirren, sondern hält an seiner Lesart fest. Im nächsten Jahr erhob sich die schon erwähnte Kontroverse zwischen Pniower und Mann. In der „Vossischen Zeitung“ vom 5. Mai 1920 hat Pniower den rührenden Reim im Ettlingerschen Nachlaßband (sendet: sendet) als häßlich und unfontanisch bemängelt und statt dessen die Konjektur (sendet: endet) vorgeschlagen. Es waren schon mehr als zehn Jahre seit Erscheinen des Nachlaßbandes vergangen. Deshalb rechtfertigt sich Pniower zunächst: „Seit langem war mir der Fehler bekannt. Ihn jetzt an die Öffentlichkeit zu bringen, ersuchte mich eine Dame, die... darüber betrübt ist, daß sich die törichte Lesart einnisten konnte und sich wie eine ewige Krankheit fortlebt“. Und er nennt die Namen derer, die diese Lesart vertreten: Thomas Mann und Friedrich Zillmann, die beide „den Wechselbalg für ein echtes Kind“ ausgäben. Daß Thomas Mann, so beschimpft, entschlossen den Gegenangriff unternehmen mußte, hat wohl seinen guten Grund. In einem Brief vom 4. Juni 1920 schreibt er an Ernst Bertram: „Ich habe der Vossischen einen geharnischten Brief geschrieben, worin ich dagegen protestiere, daß hier mit gelehrter Autorität eine Lesart durchgedrückt und offiziell gemacht werden soll, von deren abgeschmackter Irrtümlichkeit ich, wie von wenigen Dingen in der Welt, überzeugt bin“ 22 . In seiner Entgegnung, die in der „Vossischen Zeitung“ vom 8. Juni 1920 erschien, geht er zuerst auf die zwei ersten Verse ein, die Pniower aus dem Nachlaßband zitierte. Die von Pniower zitierten Verse lauten:
„Leben! Wohl dem, dem es spendet Freude, Kinder, täglich Brot!“ 23
Aber tatsächlich heißen sie im Nachlaßband:
„Leben; wohl dem, dem es spendet Freude, Kinder, täglich Brot,“
„So mit dem stillen Semikolon nach dem ersten Wort; das Ausrufungszeichen, das Herr Pniower versehentlich setzt, ist ganz unfontanisch; das Wort »Leben« wird hier nicht ausgerufen, sondern nachdenklich hinge-
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