hole ich: Der Spruch ist eine momentane elegisch-mürrische Äußerung des Unmutes“ 30 .
Der Differenz der Meinungen von Pniower und Mann liegt wahrscheinlich ein Unterschied der Haltung dem alten Fontane gegenüber zugrunde und auch ein Unterschied zweier Temperamente: das des Gelehrten, der auf einzelne Probleme aus dem Leben des Dichters eingeht, dessen Werke analysiert und mit gelegentlichen Gefühlen des Dichters in einen anschaulich-logischen Zusammenhang bringt. Dem steht das Temperament des Schriftstellers gegenüber, der sich dem Dichter sehr verwandt fühlt und dessen Lebensanschauung aus dichterischen Werken und persönlichen Briefen synthetisch-intuitiv beurteilt.
Thomas Mann schließt seine Entgegnung mit folgenden Worten: „Nicht eher, als bis die Handschrift mich niederschlägt, werde ich meinen Gegnern, öffentlichen und privaten, das Feld räumen. Und auch dann werde ich es nur tun, um zu finden, daß es eine unwahrscheinlich schwache Stunde war, in der Fontane einen Spruch aufzeichnete, der nur durch fremden Irrtum seines Autors würdig werden konnte“ 31 . In einer Schlußbemerkung, die der Entgegnung Thomas Manns hinzugefügt ist, berichtet die Redaktion, wie es sich eigentlich mit der handschriftlichen Vorlage des Druckes im Ettlingerschen Nachlaßbande verhält. Friedrich Fontane hat der Redaktion zwei Blätter mit den schon erwähnten Abschriften (ein Blatt mit seiner Abschrift und das mit Schreibschrift versehene Folioblatt) gesandt. Dort heißt der vierte Vers des Spruches: „Ist das Wissen, daß es endet“. Daher urteilt die Redaktion, es ergebe sich also, daß sich die Waagschale zugunsten der Auffassung von Pniower neige. Obwohl indessen dieser letzte Schluß in der Beweiskette fehle, habe man kaum mehr Anlaß, an der richtigen Textgestalt des Gedichtchens zu zweifeln. Die Redaktion meint, den Disput abgeschlossen zu haben, indem sie fortfährt: „Fontane aber ist auf alle Fälle gerettet. Denn wenn selbst der kaum recht glaubliche Fall eintreten sollte, daß einmal später das Originalmanuskript gefunden wird und dann womöglich die Ettlingersche Fassung bestätigt, so wird Thomas Manns feinsinnige Auslegung für diese Zeugnis ablegen“.
Doch Thomas Mann wird nicht gerettet, seine Auslegung ist zwar feinsinnig, geht aber nach Meinung der Redaktion höchstwahrscheinlich von einem falschen Text aus. In dem besagten Brief vom 4. Juni 1920 schreibt er an Bertram: „Die Nachprüfung der Handschrift hat man mir zugesagt“ und erklärt dann im nächsten Brief an Bertram, weder seinen Standpunkt ändern zu wollen noch ändern zu können: „Die Papiere aus Neuruppin können mich keineswegs überzeugen. Unbegreiflich ist mir aber, daß Ettlinger, der Herausgeber des Nachlaßbandes, sich nicht regt
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