Heft 
(1969) 8
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es angebracht, diesen Fragenkomplex auch einmal zeitgenössisch und gesellschaftskundlich zu untersuchen.

Bei den bisher hier genannten Dissertationen handelt es sich um Erst­lingsarbeiten junger Forscher. Zum Schluß soll in diesem Bericht die noch nicht ganz abgeschlossene, umfangreiche Habilitationsschrift eines erprobten Germanisten genannt werden. Es handelt sich um das Buch von Monsieur Bange, Le Mythe et l'ironie; themes et structures des romans de Th. Fontane.

Der Autor, der bereits in früheren Jahren mehrere Male im Fontane- Archiv arbeitete, benutzt die Arbeitsweise des Strukturalismus. Er defi­niert zunächst die symbolischen Elemente, aus deren Zusammenstellung sich die Struktur eines Romans ergibt. Wie die Elemente sich zueinander verhalten, welche Beziehungen zwischen ihnen entstehen, daraus läßt sich der tiefere Sinn eines Dichtwerks erkennen. Bei diesem Verfahren benutzt der Autor die Technik der Psychokritik; diese neuartige Literatur-Analyse stammt von dem kürzlich verstorbenen Gelehrten Charles Mauron (Uni­versität Aix-en-Provence); ihr hauptsächliches Werkzeug ist die soge­nannte Ubereinanderschichtung (Superposition) der einzelnen Werke eines Dichters. Bei dieser Vergleichsmethode tritt die tiefere, sozusagen unbe­wußte Einheit des Gesamtwerkes in Erscheinung. Mauron hat seine Psychokritik auf Racine angewandt. Man darf darauf gespannt sein, zu sehen, was bei der Anwendung derselben Technik auf Fontanes Romane herauskommt. Zum gegebenen Zeitpunkt soll ausführlich darüber berich­tet werden. Heute sei nur die Hoffnung ausgesprochen, diese neuartige Habilitationsschrift möge bald abgeschlossen vorliegen.

Es soll nicht vergessen werden, darauf hinzuweisen, daß die Pariser Fontaneforscher in wirkungskräftiger und höchst dankenswerter Weise bei ihrer Arbeit durch das Potsdamer Fontane-Archiv unterstützt werden, sowohl durch Anleitung und Zugang zu den Dokumenten an Ort und Stelle als durch Übersendung von Photokopien und von schriftlichen Auskünften; es steht zu erwarten, daß die Verbindung zwischen diesem Archiv und der Universität Paris zur Weiterentwicklung der französischen Fontaneforschung kräftig beitragen wird. Dazu kommt der Ansporn, der von dem großartigen Fontanebuch H.-H. Reuters ausgehen wird.

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